Training & Wettkampf

So klappt´s mit deinem Swimmer`s High

Zugegeben: Von einem Swimmer´s High ist bislang in den Trainingsratgebern wenig zu lesen. Doch man muß gar nicht bis nach Hawaii oder in die Karibik reisen, um die Freude am Schwimmen im offenen Gewässer zu entdecken.

Von Holger Lüning

Auch im hiesigen Schwimmbad oder am Baggersee kann man mit einem guten technischen Fundament eine Sportart für´s Leben finden. Nicht umsonst gilt das Schwimmen als einer der beliebtesten sportlichen Betätigungen der Deutschen. Eine Lifetime-Sportart für alle Altersgruppen.

An dieser Stelle möchten wir uns aber weniger den – unbestrittenen – gesundheitlichen Aspekten widmen, sondern vielmehr die Rolle des Schwimmens im Triathlonsport beleuchten.

Nicht nur für die Zuschauer ist ein Massenschwimmstart einer der faszinierendsten und atmosphärischsten Augenblicke, die der Ausdauersport zu bieten hat. Jeder, der diese Situation schon einmal erlebt hat, wird dieses Gänsehautgefühl der letzten Sekunden vor dem Start niemals vergessen. Und dann geht es los! In einem Moment wird die sanfte Wasseroberfläche in ein Wildwasser verwandelt.

Für den Wettkämpfer ist das Schwimmen als Auftaktdisziplin des Triathlons auch ein Taktgeber für den gesamten Wettkampf. Immer verbunden mit einer Portion Hoffen und Bangen. Wie komme ich aus dem Startgewühl? Erwische ich eine gute Gruppe? Klappt es mit der Orientierung? Werde ich meinen Rhythmus finden? Zu keinem anderen Zeitpunkt des Rennens sind alle Teilnehmer so dicht beieinander wie beim Schwimmstart. Eine Situation, die man in keinem Training simulieren kann.

Und gerade deshalb gilt es, sich bestmöglich auf den ersten Teil des Ausdauerdreikampfes vorzubereiten. Was also ist zu tun, um im Sommer gut gewappnet in den Wettkampf zu gehen?

Projekt Schwimmen

Je nach Leistungsstand und Erfahrung bilden sich im Training unterschiedliche Schwerpunkte heraus. Der Triathlet mit schwimmsportlicher Vergangenheit wird mit wenigen Trainingseinheiten sein früheres Leistungsvermögen verhältnismäßig gut konservieren können. Die to-do-Liste des Einsteigers liest sich dagegen wie eine Projektarbeit. Und genauso sollte man die Sache vielleicht auch angehen. Nicht alles auf einmal wollen, sondern Stück für Stück an der Aufgabe arbeiten. Sicherlich, der Respekt vor der herausfordernden Strecke flößt oftmals so viel Respekt ein, dass man zur Beruhigung die Strecke immer und immer wieder am Stück schwimmt. Das bringt zwar Sicherheit, aber keinen effektiven Leistungsgewinn. Und nachhaltig wirkt diese Methode ebenfalls nicht. Kommen wir zurück zum Projekt. Und das beginnt immer am Anfang. Und dort steht beim Schwimmen die Technik.

Die technische Komponente ist beim Schwimmen deutlich höher zu bewerten als bei Bewegungsmustern wie dem Laufen oder Radfahren, die wir fast alltäglich durchführen und bereits sehr früh im Leben erlernt haben. Die ungewohnten Umgebungsbedingungen im Wasser, auch in Gestalt der sehr hohen Widerstände, erschweren die Fortbewegung zudem. Der Weg, diese Widerstände geschickt zu reduzieren, sprich eine strömungsgünstige Wasserlage einzunehmen, ist folgerichtig eine wesentliche Grundlage des Techniktrainings.

Die Kraulschwimmtechnik hat sich seit jeher als die schnellste Schwimmart durchgesetzt. Nicht nur im Sprintbereich mit der höchsten Geschwindigkeit, sondern auch im Langstreckenbereich. Der optimale Wechsel von Anspannung und Entspannung sorgt sowohl für eine hohe Antriebswirkung als auch für eine ausgewogene Erholung zwischen den Zügen. Es führt daher kein Weg am Erlernen dieser Schwimmart vorbei, wenn man die

erste Triathlondisziplin ökonomisch und schnellstmöglich zurücklegen möchte. Und seien wir mal ehrlich – es sieht doch auch am besten aus.

Graue Theorie?

Es gibt nichts Gutes außer man tut es. Schon Erich Kästner wusste anscheinend, wie man das Schwimmen am effektivsten erlernt. Zwar kann man sich über die Lektüre von Lehrmaterialien ein gutes theoretisches Wissen aneignen. Als Einsteiger ist man aber am besten beraten, wenn man sich zusätzlich in die Hände eines erfahrenen Trainers begibt oder ein Schwimmseminar bucht. Der Hauptgrund dafür liegt im individuellen Bewegungsempfinden. Oftmals schätzt man seine eigenen Bewegungen, Beugegrade und Handstellungen ganz anders ein, als sie tatsächlich sind. Direkte Rückmeldungen durch Trainer oder mittels Videoanalysen geben ein wichtiges Feedback, um auf der Grundlage dieser Informationen seine eigene Bewegung noch besser spüren und selbst korrigieren zu können. Regelmäßige Trainingseinheiten zur Überprüfung des Erlernten sorgen zudem für die notwendige Sicherheit, dass die neuen Bewegungsmuster ihren Weg in das Bewegungsgedächtnis gefunden haben. Eine Investitionen, die langfristig mindestens so wertvoll ist wie ein Satz hochwertiger Laufräder.

Der Trainer sagt uns dann vielleicht auch mal etwas, was wir gar nicht erwartet hätten. Nämlich dass ein Dreierzug möglicherweise gar nicht das Richtige für mich ist oder dass ich das Wasser eben nicht wie Ian Thorpe mit einem extrem hohen Ellenbogen greifen kann, weil mir die hundert Trainingskilometer (pro Woche im Wasser!) dafür fehlen und damit auch die spezifische Kraft. Schwimmen hat zwar ein anerkanntes biomechanisches Grundschema, besitzt dabei aber auch viele individuelle Ausprägungen. Wie in jeder anderen Sport auch. Die Aufgabe ist es, die antriebswirksamen Mechanismen zu finden, die man selber umzusetzen in der Lage ist. Die Konzentration auf das Wesentliche. Das ist am Anfang vielleicht eher mühsam, verbessert sich aber mit der Häufigkeit des Trainings und dem Zugewinn an technischem Können.

Wer einen messbaren Erfolg erzielen möchte, der sollte mindestens zweimal pro Woche das Schwimmbad aufsuchen. Dabei geht es dann auch weniger darum, lange Ausdauereinheiten abzuspulen, sondern die knapp bemessene Zeit intelligent zu nutzen. Der Trainingsplan sollte daher im Idealfall immer wieder Variationen und klar definierte Schwerpunkte enthalten.

Rhythmus im Blut

Und wenn sich die Bewegungsmuster erst einmal verfestigt haben, merkt man ganz schnell, wie rhythmisch diese Sportart sein kann. Wenn Atmung und Armbewegung miteinander harmonieren, ein Bewegungsfluss entsteht und man förmlich fast schwerelos durch das Wasser gleitet. Dann wird Schwimmen auf einmal ökonomisch, flüssig und leicht. Ganz gleich in welcher Geschwindigkeit und auf welcher Leistungsstufe.

Wenn die meditative Monotonie der Bewegung dann dazu führt, dass sich die Gedanken an die korrekte Armführung, den richtigen Druck zur rechten Zeit und die richtige Kopfhaltung wie in Luft auflösen, dann kann spürt man es vielleicht doch einmal: Swimmer´s High.

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