Training & Wettkampf

Beinarbeit: der Turbo für die optimale Wasserlage

Höher im Wasser liegen und Widerstände optimieren

Deshalb ist die Beinarbeit so wichtig

Fortsetzung von Teil 1 „Lernen von den Besten“ > KLICK HIER

Nicht nur im Mastersbereich ist die Aufrechterhaltung einer guten Wasserlage mittels eines gezielten Stabilitäts- und Athletiktrainings sogar ein sehr wesentlicher Parameter Ihrer Leistungsfähigkeit. Fällt nämlich ab einer bestimmten Intensität oder Streckenlänge der Rumpf und die Beine ab, verschlechtert sich die Wasserlage so immens, dass die Widerstände eine Wirkung erreichen, die Sie selbst mit bester Schwimmtechnik nicht wettmachen zu können. Das konzentrierte Training der Beinarbeit im Wasser gehört deshalb in das Aufgabenheft eines jeden Schwimmers – unabhängig von Alter und Leistungsfähigkeit.

Schwimmen Sie im Training vor allem kurze und intensive Beinarbeit-Serien, um die Dynamik der Bewegung zu erhalten und die Wasserlage auf einem guten Niveau zu halten. Merke: Der stärkste Arm kann einen abfallenden Rumpf nicht kompensieren!

Trainingstipp:

6x50m Beinarbeit im intensiven GA2-Bereich, Pause: 30-40 Sekunden

8x100m jeweils 50m Beinarbeit GA2 + 50m Armarbeit GA1 (Brett zwischen die Beine), Pause: 30-45 Sekunden

8x50m Beinarbeit jeweils 25m Spurt + 25m Armarbeit locker, Pause: 30-45 Sekunden

6x100m jeweils 15m oder 25m Beinarbeit vom Startblock mit Zeitmessung + Rest locker schwimmen, Pause: 60 Sekunden

25% Training der Beinarbeit

An dieser Stelle nochmals zurück zu Michael Phelps. Sein Coach Bob Bowman hat in einem Referat vor der amerikanischen Schwimmtrainer-Gesellschaft (ASCA) über die wichtigsten Merkmale im Training des mehrfachen Olympiasiegers gesprochen. „Das Training der Beinarbeit ist enorm wichtig und nahm zum Teil bis zu 25% des Gesamtumfangs einer Trainingseinheit ein“, so der Trainer.

Führt man sich die Zusammenhänge vor Augen, wird schnell deutlich, welche Möglichkeiten in dem verstärkten Training der Beinarbeit versteckt sind. Welche Auswirkungen ein instabiler Rumpf oder hängende Beine haben, erkennt man schnell, wenn man die physikalischen Gesetze heranzieht. Sie merken es selbst: wenn man sich vom Beckenrand abstößt, wird man zwangsläufig nach wenigen Metern auf Tempo Null herabgebremst. Die Widerstandskraft des Mediums ist enorm. Bewegen Sie sich im Wasser vorwärts, steigt der Widerstand des Wassers mit zunehmendem Tempo im Quadrat an!

Gute Wasserlage = höheres Tempo

Eine gute Wasserlage ist deshalb die Voraussetzung, weniger die Folge, schnellen Schwimmens. Die Zusammenhänge bei der Fortbewegung im Wasser sind komplex. Ist die Wasserlage gut, können die Arme ihre Vortriebswirkung besser entfalten, da sie weniger Widerstände daran hindern. Das wiederum hilft der Umsetzung einer effektiven Bewegungsfrequenz, ist energetisch günstiger und bringt den Schwimmer folgerichtig schneller vom Start bis zum Anschlag.

Das, was beim Spitzenschwimmer leicht aussieht, ist das Ergebnis harter, disziplinierter und konzentrierter Trainingsarbeit. Die Illusion „bei einem guten Schwimmer sieht alles so leicht aus“ ist schlussendlich auch nur eine visuelle Momentaufnahme der kurzfristigen Erholung in der Überwasserphase. Die weniger gute Nachricht lautet: schnelles Schwimmen ist nicht leicht. Die gute Nachricht lautet: das Potenzial dafür ist bei jedem Sportler vorhanden.

Die Liebe zum Detail

Je mehr man sich mit der Zusammensetzung einer überdurchschnittlichen Schwimmleistung beschäftigt, desto deutlicher wird die Bedeutung von scheinbar nebensächlichen Dingen. Doch gar nicht so selten sind die Dinge in der Gesamtbetrachtung von entscheidender Bedeutung, die neben dem Pool stattfinden. Ein weiteres Beispiel ist die Beweglichkeit. Individuell besitzt jeder Mensch eine im Genpool manifestierte Gelenkform. Sie entscheidet zu einem Teil über das Bewegungsmaß, also die Schwingungsweite des entsprechenden Gelenks. Darüber hinaus ist es jedoch immer eine Frage des Trainings, inwieweit man diese Fähigkeit entwickelt.

Schließlich können Sehnen, Bänder und Kapseln in ihrer Beweglichkeit trainiert werden. Für den Schwimmer ist die Fähigkeit einer guten Beweglichkeit leistungsentscheidend. Schwingt man Überwasser leichter und weiter nach vorne, ergeben sich in der Umsetzung einer effektiven Unterwasserbewegung ganz andere Möglichkeiten als wenn der Zug von vornherein kurz ist.

Trainieren Sie ausgewogen?

Schaut man den Spitzensportlern über die Schulter, so erkennt man die Wichtigkeit eines ausgewogenen Trainings. Im Wasser wie an Land! Ausgewogen – ist das Ihr Training auch? Denn nun ist es Zeit für eine Analyse Ihres Trainings. Und vielleicht auch Zeit für einen völlig neuen Denk- und Planungsansatz. Welche Faktoren bestimmen Ihre Gesamtleistung? Welche Fähigkeiten verlangt Ihre Sportart, Ihre Disziplin, Ihre Hauptstrecke von Ihnen?

Besonders wenn Sie mit einer Leistungsstagnation zu kämpfen haben und sich fragen, wie Sie Ihrer Leistung neue Impulse verleihen können. Nicht immer liegt die Antwort auf diese Frage im Pool.

Konsequenz – dieser Begriff steht an einer der obersten Stelle, wenn es um die Beurteilung und die Gründe für den persönlichen Erfolg eines Leistungssportlers geht. Selbst wenn Sie die zeitlichen Möglichkeiten eines Vollzeitsportlers nicht haben, so liegen auch Ihre Chancen in der konsequenten Umsetzung Ihrer Trainingsstrategie. Dabei hilft es ungemein, die Ergebnisse der Ist-Analyse schriftlich zu fixieren und eine exakte Zielvorgabe zu formulieren. Vergessen Sie dabei nicht, Zwischenetappen zu bestimmen, die Ihnen aufzeigen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind.

Veränderung bedeutet Entwicklung

Abschließend kommen wir zum vielleicht wichtigsten Aspekt. Veränderungsprozesse sind selten mit einer abrupten Dynamik versehen. Von jetzt-auf-sofort-Entscheidungen können im Alltag durchaus funktionieren. Im Sport benötigen Sie für die Umsetzung Ihrer Ziele vor allem eins: Geduld! Es liegt in der Natur der Sache, dass der Organismus eine ganze Weile benötigt, um die Trainingsreize zu verarbeiten, darauf adäquat zu reagieren, um dann zeitverzögert eine Anpassung vorzunehmen. Sein Sie sich sicher: jedes kluge Training hat seinen Effekt, besonders wenn Sie neue Impulse setzen. Das Zutrauen in sich selbst ist Ihre Garantiekarte für künftige Leistungssprünge – Haltbarkeitsdatum unbegrenzt.

von Holger Lüning

(Foto: Michael Lapp, snap-pix.de)