Training & Wettkampf

Übertraining? Was kann man tun?

Wenn es nicht mehr vorwärts geht

Ursachenforschung und Gegenmittel

Fortsetzung von Teil 1: Leistungsstagnation > KLICK

Sympathikoides, d.h. den Sympathikus des Nervensystems betreffendes Übertraining ist eher temporär und gekennzeichnet durch erhöhte Herzfrequenz, Schlafstörungen und organbezogene Beschwerden. In diesem Falle geht der therapeutische Ansatz über gezielte Maßnahmen zur Erholung und Entspannung des Sportlers, um die beschriebenen Symptome zu lindern.

Parasympathikoides Übertraining ist tendenziell eher chronisch und durch depressive Anteile gekennzeichnet. Hier empfindet der Sportler Lustlosigkeit, Ziellosigkeit und das Zweifeln am Sinn der Aufgabe oder gesetzten Ziele. Letztere sind aufgrund ihrer Symptomarmut schwerer zu diagnostizieren und rühren tendenziell eher aus dem Bereich der Überforderung her. Abwechslung und das systematische „Entfernen“ von der speziellen Aufgabe, z.B. mittels alternativer Sportarten oder einer kurzen Auszeit, kann hier Abhilfe schaffen.

Gefahrenpotenzial „Routine“

Im Kern einer Analyse verbirgt sich häufig das Prinzip der Routine und die damit verbundene Gefahr, Dinge so zu tun, wie man sie schon immer gemacht hat. Genau dann reagieren die biologischen Systeme mit einer Form der Stagnation, weil sie sich nicht mehr ausreichend gefordert fühlen. Im Sport hilft es deshalb, den eigenen Routinen regelmäßig kritisch zu begegnen und sie zu hinterfragen. Schnell erkennt man vielleicht, dass man gerne altbewährte Trainingsformen oder Wettkampfeinsätze verfolgt, die in der Vergangenheit zum Erfolg geführt haben. Doch leider gibt es diese Garantie nicht auf Dauer. Wer erfolgreich sein möchte, der kommt nicht umhin, sein Trainingsregime immer wieder mit neuen Impulsen zu versehen. Welche Impulse könnten das sein?

Maßnahmen und Anregungen

  1. Motivation

Eine sehr wertvolle Hausaufgabe kann es sein, sich mit seinen Motiven schriftlich auseinander zu setzen. Die Fragen „Warum tue ich das? Was treibt mich an?“ können Ihnen wertvolle Hinweise auf tief liegende Motivatoren geben. Zudem können sich die Antreiber durchaus im Verlaufe eines Sportlerlebens ändern. Genauso wie sich die Lebenssituation ändert, können diese neuen Faktoren auch Ihre Leistungsfähigkeit stark beeinflussen. Gehen Sie auf die Suche nach diesem kraftvollen Energiequell und formulieren Sie Ihre kurz-, mittel- und langfristigen Ziele.

  1. Techniktraining

Wissen Sie was Sie tun? Diese Frage ist nicht despektierlich gemeint. Nur, mitunter glaubt man nach einer gewissen Zeit, die Dinge zu beherrschen. Im Schwimmen ist das „Können“ aber nie ein fester Status, sondern immer ein beweglicher Prozess. Achten Sie deshalb auch als erfahrener Sportler darauf, sich immer mal wieder per Videoaufnahmen zu überprüfen. Stimmt das, was Sie empfinden mit dem überein, was Sie im Wasser tun? Wenn nicht, investieren Sie nochmals in ein intensives Techniktraining, um effizient und ökonomisch zu schwimmen.

  1. Kraft

Schwimmen ist Kraftsport! Allein die hohen Widerstandskomponenten des Wassers erfordern viel Kraft der Antriebsmuskulatur, um den menschlichen Körper auf Tempo zu bringen. Überprüfen Sie bei Leistungsstagnationen, ob Sie die Entwicklung der spezifischen Kraft möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt haben. Gute Nachricht: wenn Sie bislang wenig oder kaum ein Krafttraining in Ihr Training integriert hatten, liegen hier enorme Chancen für Leistungsverbesserungen. Schon zwei kurze Krafteinheiten pro Woche und zusätzliches Zugseiltraining können die spezifische Muskulatur derart entwickeln, dass Sie ein besseren Impuls aufs Wasser bringen.

  1. Trainingsreize

Hinterfragen Sie alle vier bis sechs Wochen Ihr Training! Was haben Sie in dieser Zeit trainiert, was haben Sie erreicht und wie könnten die nächsten Etappen aussehen? Wichtig ist, das Prinzip der ansteigenden Gesamtbelastung zu verfolgen. Dabei können Sie an den Parametern Trainingshäufigkeit, -umfang, -intensität und natürlich weiteren Inhalten, die Ihnen neue Reize vermitteln erfolgreich arbeiten. Auch eine kurze Phase intensiver Belastungen mittels eines klar definierten Trainingsblocks kann Ihnen neue Impulse geben.

  1. Herausforderungen

Routinen sind zwar im Alltag hilfreich, wenn man sich über Tätigkeiten wie Zähneputzen u.ä. keine Gedanken mehr machen muss und damit viele Automatismen das Leben vereinfachen. Im Training jedoch führen Routinen sehr schnell zur Leistungsstagnation. Suchen Sie sich gezielt neue Herausforderungen. Ob das ein Freiwasser-Wettkampf ist, die Verbesserung der Zeiten in der Nebenlage, die Qualifikation für eine Masters-Meisterschaft oder das erstmalige Absolvieren der 200 Meter Delfin. Attraktive Herausforderungen stimulieren Ihr Training!

  1. Alter und Sport

Schwimmen ist eine Lifetime-Sportart, die man unabhängig vom Alter durchführen kann. Die biologischen Prozesse bedingen jedoch, dass sich die Voraussetzungen dafür ändern. Befinden Sie sich als Zwanzigjähriger noch in einem aufbauenden (also anabolen) Prozess, so müssen Sie sich ab dem 30. Lebensjahr mit ersten degenerativen Veränderungen abfinden – oder dagegen ankämpfen. Letzteres sollte Ihre Strategie sein, um leistungsfähig zu bleiben. Passen Sie Ihr Training an die Reduzierung der Maximalkraft oder Beweglichkeit an, indem Sie diesen Bereichen noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Trainieren Sie schlau und weise – dann bleiben Sie schnell!

  1. Stabilität

Kennen Sie ein Bootsmodell mit flexiblem Rumpf? Natürlich nicht. Denn Sie spüren sofort, wenn Sie sich einmal in verschiedenen Positionen vom Beckenrand abstoßen, wie wichtig eine stabile, sprich strömungsgünstige Wasserlage ist. Die Verbesserung der Körperstabilität spiegelt sich jedoch nicht nur in besseren Widerstandswerten und damit effizientem Schwimmen wider. Auch die Kraftübertragung Ihrer Hebel verbessert sich. Ist Ihr Rumpf in Form, schwimmen Sie schneller!

  1. Freude und Spaß empfinden

Erinnern Sie sich an den Moment, in dem Sie eine persönliche Spitzenleistung erzielt haben? Haben Sie sich dabei auch irgendwie leicht und beschwingt gefühlt? Das ist kein Zufall. Wissenschaftler wissen schon lange, dass Freude an der Tätigkeit einen großen Anteil am individuellen Erfolg haben. Der Begriff des Flow umschreibt den Zustand, wenn sich Können und Engagement in einer idealen Kombination befinden. Kurz gefasst: eine Tätigkeit sollte fordernd aber nicht überfordernd sein. Bewahren Sie bei allem Ehrgeiz den kindlichen Spaß an einer Sache, um sich die notwendige Lockerheit zu bewahren. Denn nichts lässt die Muskulatur mehr verkrampfen als eine starre Sichtweise.

Der feste Gaube zählt

Viele Leistungsfaktoren spielen sich auf der Ebene der Persönlichkeit und der Einstellung zum Sport, zum Training und zum Wettkampf ab. Unabhängig, ob es um Leistung im Sport, den Beruf oder auch dem Alltag geht. In dem Spruch „Es ist egal ob du glaubst, es zu schaffen oder ob du glaubst, es nicht zu schaffen. Du wirst immer Recht behalten!“ steckt das Geheimnis vieler Spitzenathleten. Programmieren Sie sich auf High-Performance.

Rein leistungsphysiologisch betrachtet und in der Vergangenheit häufiger beobachtet, ist die Erscheinung, dass sich hinter einer Leistungsstagnation möglicherweise auch strukturelle Umbauprozesse im Organismus verbergen. Im Prinzip handelt es sich dabei um die Vorbereitung auf den nächsten Leistungssprung. Versuchen Sie, in solchen Phasen entspannt und zuversichtlich zu bleiben. Selten hat die sprichwörtliche Brechstange geholfen, um sich aus diesem Korsett zu befreien. Widmen Sie sich auch mal alternativen Trainingsmethoden oder verwandten Sportarten, um neue Impulse für sich zu erzeugen. Plötzlich, wenn Sie die Zügel etwas lockerer anlegen, könnte aus dem temporären Plateau Ihrer Leistungsfähigkeit ein Sprungbrett werden, das Sie zu neuen Höhenflügen ansetzen lässt.

Von Holger Lüning