Training & Wettkampf

Triathlon: Das spezifische Training für schnelle 1.500 Meter

Das spezifische Training für schnelle 1.500 Meter

Teil 1/2

Das Beckenschwimmen im Langstreckenbereich ist von taktischen Eigenschaften bestimmt, die spezielle Trainingsmethoden erfordern. Auch wenn sich diese Eigenschaften von denen des Freiwasserschwimmens unterscheiden, lohnt sich ein Blick über den Beckenrand.

Zu hohes Anfangstempo?

Wundern Sie sich auch manchmal, welches Tempo Ihre Konkurrenten und zwangsläufig auch Sie selbst auf den ersten Meter eines Triathlons anschlagen? In der Gesamtabrechnung sind diese ersten Sekunden und Minuten sicher nicht entscheidend. Dennoch passiert es immer wieder, dass man dem Herdentrieb folgend, deutlich über seinen Möglichkeiten schwimmt und eine zu hohe Intensität wählt.

Schaut man sich das Beckenschwimmen über die längste olympische Distanz an, den 1500 Metern Freistil, so muß man feststellen, dass dort zum Erreichen einer optimalen Leistung ein komplett anderes taktisches Wettkampfmuster verwendet wird.

Die Spezialisten im Pool machen das anders

Rechnet man beispielsweise bei den Endlaufteilnehmern der Olympischen Spiele von Tokio den Geschwindigkeitsvorteil durch den Startsprung heraus, so ist das Tempo schon recht früh in der Anfangsphase des Rennens sehr gleichmäßig. Auf den folgenden 100-Meter-Teilabschnitten liegt der Zeitunterschied zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Abschnitt meistens unter zwei Sekunden, häufig sogar nur um Bereich von Zehntelsekunden.

Es hat sich demzufolge zum Erreichen einer optimalen 1500-Meter-Leistung bewährt, ein sehr gleichmäßiges Tempo zu wählen. Völlig anders also als das, was man aus Triathlonwettkämpfen kennt. Würde man das konsequente Taktikverhalten der Beckenschwimmer kopieren, dabei jedoch auf den energetisch belastenden Schlussspurt verzichten, sollte der Theorie zufolge eine deutlich bessere Leistung zu erzielen sein. Es könnte zudem deutlich energieschonender für den weiteren Rennverlauf sein.

Tempogefühl entwickeln

Die entscheidenden Fähigkeiten zur Realisierung dieser taktischen Variante ist ein gut ausgeprägtes Tempogefühl. Regelmäßige Zeitkontrollen im Schwimmtraining geben Ihnen ein wichtiges Feedback, um dieses Gefühl zu entwickeln. In Tests an mehr als 50 Hobbytriathleten wurde untersucht, ob die Sportler in der Lage sind, einen 600m-Test in einem vorher definierten Intensitätsbereich (GA1) absolvieren zu können. Die im Anschluss ermittelten Laktatwerte zeigten an mehr als zwei Drittel der Sportler, dass der vorgegebene Bereich deutlich überschritten wurde. Laktatwerte von zum Teil mehr als 3mmol/l Blut zeugen von einer hohen Fehlerquote in der Selbsteinschätzung.

Trainieren Sie diese Fähigkeit durch Intervallserien mit gleichbleibenden oder gesteigerten Intensitätsstufen. Dadurch verbessern Sie nicht nur Ihr Tempogefühl, sondern erlangen auch Tempohärte in dem angestrebten Geschwindigkeitsbereich.

Körperkontakt 

Was der Beckenschwimmer dem Freiwasserschwimmer also möglicherweise voraus hat, fehlt ihm dafür an anderer Stelle. Nämlich die Erfahrung, mit anderen Sportlern in ein Startszenario zu geraten, dass von Körperkontakt und schneller Orientierungsfähigkeit geprägt ist. Allein der Gedanke an einen Massenstart treibt manchem erfahrenen Beckenspezialisten die Schweißperlen auf die Stirn. Zurecht – denn der Start ist und bleibt ein wichtiger Taktgeber für den gesamten Triathlonwettkampf.

Deshalb ist es sinnvoll, bereits früh in der Saison, triathlonspezifische Schwimmfähigkeiten zu entwickeln. Der Startvorgang lässt sich mit Trainingskameraden sehr gut trainieren. Starten Sie zu diesem Zweck einmal mit mehreren Personen in enger Position nebeneinander und absolvieren Sie Schnelligkeitstests über 15 bis 25 Meter. In einer Serie von sechs bis zwölf Wiederholungen schulen Sie Ihre Grundschnelligkeit, die Sie später schneller aus dem Startgetümmel entweichen läßt.

Atemmangel-Training

Ein weiterer Trainingsaspekt sollte dem Schwimmen unter Atemmangel dienen. Gerade in der Anfangsphase des Rennens oder beim Umschwimmen einer Boje kann es zu Momenten kommen, in denen Sie nicht wie gewohnt atmen können. Im Becken eignen sich daher entweder kurze, intensive Serien mit bewusstem Anhalten des Atems oder längere Serien mit variablen Atemrhythmen. Diese Übungen stärken Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Sicherheit, auch unter Atemmangel nicht in Panik zu geraten.

Haben Sie Ihr Tempogefühl gut entwickelt und schwimmen Sie Ihre Wettkampfstrecke in einem idealen Intensitätsbereich, der Sie auch für die beiden folgenden Disziplinen genügend Energiereserven übrig läßt, werden Sie zum Ende des Schwimmparts noch einmal mit einer Besonderheit konfrontiert.

Das Tragen des eigenen Körpergewichts nach einer mehr oder weniger langen Phase der „Schwerelosigkeit“ kann Ihren Organismus nämlich schon einmal empfindlich in seinem Gleichgewicht stören. Nicht nur buchstäblich das Gleichgewicht an sich, sondern auch das energetische Gleichgewicht. Schließlich sind die Beine in der Gesamtheit der Schwimmbewegungen eher von untergeordneter Bedeutung und folgerichtig konzentriert sich die Blutzirkulation eher auf die schwimmrelevante Muskulatur im Oberkörper.

Vom Wasser ans Land

Das plötzliche Sich-Aufrichten von der Waagrechten in die Senkrechte kann deshalb zu unangenehmen Begleiterscheinungen führen, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Krämpfe oder sehr heftige Ausschläge der Herzfrequenz, können Sie schon einmal in Alarmzustand versetzen. Doch auch diesen Teil des Wettkampfes können Sie im Becken schon frühzeitig trainieren.

Entweder bauen Sie in Ihr Training immer mal wieder einen kurzen Ausstieg aus dem Becken ein, oder Sie erhöhen am Ende einer Schwimmstrecke oder eines Intervalls bewußt die Beinarbeit, um das Zirkulieren des Blutes in dieser Region anzuregen.

Sie sehen: das Schwimmtraining im Winter ist alles andere als langweilig und träge. Ganz im Gegenteil – diese Monate sind ideal geeignet, um sich schon früh in der Saison mit den Anforderungen eines Triathlonwettkampfes auseinanderzusetzen.

Trainings-Tipps

  1. Tempogefühl

8×100 Meter – (Pause 20 Sekunden) – Schwimmen Sie ein gleichmäßiges Tempo. Die Differenz zwischen dem schnellsten und langsamsten 100m-Abschnitt sollte nicht mehr als 2 Sekunden betragen.

400 (GA1)-300 (GA1/2)-200 (GA2)-100 (WSA) – (Pause 30 Sekunden) – Schwimmen Sie die Abschnitte in gesteigertem Tempo, so dass Sie Ihr Tempo zu Abschnitt zu Abschnitt erhöhen können.

  1. Start

8x(25 Meter Sprint mit Startvorgang + 25 Meter locker) – (Pause 60 Sekunden) – Schwimmen Sie alleine oder mit mehreren Sportlern nebeneinander, um die Startsituation zu simulieren.

  1. Atemmangel

2x(4×50 Meter) – (Pause 30 Sekunden) – Atmen Sie auf den ersten 50 Metern 6x, auf den zweiten 50 Metern 5x, dann 4x und beim vierten 50-Meter-Abschnitt 3x. Schwimmen Sie dann 100 Meter locker und absolvieren Sie diese Übung zwei Mal.

600-800 Meter am Stück – wechseln Sie fortlaufend den Atemrhythmus nach dem Muster 3/5/3/7er-Zug oder 2/4/2/6er-Zug. Schwimmen Sie nur so schnell, wie es die Atmung zulässt.

  1. Wechselphase

8×25 Meter (Pause 40 Sekunden) – Schwimmen Sie 25 Meter mit hohem Tempo, steigen Sie dann aus dem Becken und absolvieren Sie 10 Strecksprünge (oder wahlweise auch mal Liegestütz). Diese Übung macht in der Gruppe sehr viel Spaß!

  1. Ermüdungsresistenz

2x (4×50 Meter mit 15 Sekunden Pause + 300 Meter Kraul GA1) – Schwimmen Sie die 50 Meter im GA2-Bereich und anschließend die 300-Meter-Strecke im GA1/ReKom-Bereich. Nach 30 Sekunden Pause wiederholen Sie diese Übung und kommen damit auf 1.000 Meter.

  1. Tempowechsel

400-300-200-100 Meter (Pause 30 Sekunden) – Schwimmen Sie aus jeder Wende heraus mit vollem Tempo 6 Züge Kraul ohne Atmung, gehen Sie dann in gleichmäßiges GA1-Tempo über. Reduzieren Sie die Anzahl der Tempo-Züge bei einem Training auf der 25m-Bahn auf vier.

Achtung: Im nächsten Teil geht es um das optimale Pacing. 

Von Holger Lüning