Training & Wettkampf

Das Wettkampf-Einschwimmen bei Zeit- und Platzproblemen

Schnell schwimmen ohne Einschwimmen

Wenn die Zeit oder Platz für´s Einschwimmen fehlen

Nicht nur bei der kommenden Masters-Europameisterschaft droht vielen Schwimmern ein unangenehmes Szenario: der Wunsch, Top-Leistungen zu erbringen obwohl es keine ausreichenden Möglichkeiten zum Einschwimmen gibt. Warum das Warm-Up wichtig ist und wie eine „wasserfreie“ Alternative aussehen kann, lesen Sie hier.

Ein Schwimm-Wettkampf ohne Einschwimmen dürfte in etwa so sein wie ein Auftritt für einen Opernsänger, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, sich einzusingen und mit „kalten“ Stimmbändern in die Vorstellung zu gehen. Jeder weiß, dass in solchen Fällen immer ein Gefühl der Unsicherheit mitschwingt. Die bange Frage: wie wird´s wohl heute? Deshalb der wichtigste Tipp gleich zu Beginn: üben Sie diese mögliche Situation mehrfach im Training und nicht erst, wenn Sie in der Wettkampfhalle sind!

Erwärmung – heiß werden!

Im Schwimmen geht es natürlich auch darum, am Morgen nochmals die Abläufe zu üben, Starts und Wenden zu testen, die koordinativen Details in der Wettkampftechnik zu überprüfen, um im besten Falle nach den Einschwimmen sagen zu können: „Ich bin bereit für meine individuelle Top-Leistung!“ Neben vielen mentalen Komponenten, ist die physiologische Seite einer optimalen Leistungserbringung natürlich ebenso wichtig. Läuft ihr Motor nicht auf vollen Touren, weil er nicht erwärmt ist, kann man auch nicht die beste Leistung erwarten. Was ist so wichtig an der Erwärmung?

Das gezielte Aufwärmtraining hat aus mehreren Gründen seine Berechtigung und sollte zum Standardprogramm eines jeden Athleten gehören. Es verfeinert das koordinative Vermögen und stellt den Stoffwechsel und den Organismus auf die zu erwartende Tätigkeit ein.

Hier ein weiterer Artikel aus der Wissenschaft inkl. Studie zum optimalen Einschwimmen:

KLICK >> „Das optimale Wettkampf-Einschwimmen“

Durchblutung und mehr

Eine gute Muskeldurchblutung fördert die Flexibilität und reduziert die innere Reibung der einzelnen Muskelfasern und der sie umgebenden Strukturen. Dort, wo es z.B. in aufgewärmten Zustand zu kleinen Rissen kommen könnte, ist der aufgewärmte Muskel noch in einem gesunden Dehnzustand. Somit können die Muskeln wesentlich effektiver arbeiten. Aufgewärmte Muskeln haben demzufolge eine höhere Reichweite und unterstützen damit Ihre sportliche Leistungsfähigkeit.

Das Aufwärmtraining erhöht die Temperatur nicht nur in den Muskeln, sondern zusätzlich in den Gelenken. Stellen Sie sich ein Gelenk in etwa wie einen Teil eines Motors vor. Je höher die Temperatur des schmierenden Öls ist, desto leichtgängiger und verschleißärmer laufen Kolben. Sie verbessern folglich die Viskosität ihrer Gelenkschmiere und arbeiten auch dort deutlich „reibungsloser“.

System auf Leistung programmieren

Ein weiterer Aspekt wird gerne mit dem Begriff der Betriebstemperatur umschrieben. Denn neben den bisher genannten Vorteilen, bringen Sie durch eine aktive Vorbereitung auch Ihr Herz-Kreislauf-System in einen verbesserten Zustand. Die erhöhte Herzmuskeltätigkeit vergrößert das aktiv zirkulierende Blutvolumen. Die Blutgefässe weiten sich und die stärkere Förderleistung des Herzens beschleunigt und vertieft die Atmung. Ihre Atemmuskulatur wird damit auf die zu erwartende, erhöhte Atemtätigkeit vorbereitet. Es kommt zu einer insgesamt verbesserten Versorgung des Organismus mit Sauerstoff. Untersuchungen zeigen zudem, dass die erhöhte Körpertemperatur die Abgabe des Sauerstoffs von den roten Blutkörperchen an das Gewebe erleichtert.

Die Länge des Aufwärmtrainings sollte zwischen 10 und 30 Minuten liegen und in etwa 50% der maximalen Leistungsfähigkeit entsprechen. Eine Zunahme positiver Effekte bei länger andauerndem Warm-up konnte bislang nicht festgestellt werden. Das Ende des Aufwärmens sollte ca. 10 Minuten vor Wettkampfbeginn liegen. Studien zufolge, reduzieren sich die Effekte des Aufwärmens nach ca. 15 Minuten Inaktivität. Planen Sie Ihre Zeit in der letzten Stunde vor dem Wettkampfbeginn also genau ein.

Nerven stärken und Antennen ausfahren

Neben diesen physiologischen Auswirkungen, hat das Aufwärmtraining eine weitere wichtige Eigenschaft. Die hormonelle Reaktion des Nervensystems auf das Warm-up zeigt sich durch einen Anstieg leistungsfördernder Hormone. Das Zusammenwirken von hormoneller Ausschüttung und geistiger Reaktion ist bekannt. Bei richtiger Anwendung steigern Sie sich in einen idealen, leistungswilligen und optimistischen Vorstart-Zustand. Die Leistungsbereitschaft steigt zusätzlich durch eine beschleunigte Nervenleitgeschwindigkeit und eine damit einhergehende schnellere Erregbarkeit der Muskelfasern. Nun kann Ihr Rennen beginnen!

Um beim Wettkampf diese positiven Auswirkungen auch voll nutzen zu können, ist es ratsam, ein standardisiertes Aufwärmprogramm zu entwickeln. Probieren Sie vor Ihren verschiedenen Trainingseinheiten unterschiedliche Formen des Warm-ups aus und finden Sie Ihr individuelles Rezept.

So könnte ein Aufwärmtraining ohne Einschwimmmöglichkeiten aussehen:

Beginn: ca. 30-40 Minuten vor dem Wettkampfstart

2-3 Minuten    lockeres Laufen/Traben, um den Kreislauf zu aktivieren

2-3 Minuten    Armkreisen, leicht schwingende Übungen, Arm-Arbeit

2-3 Minuten     leichte Zug-Übungen mit einem Theraband oder einem Zugseil mit leichtem Widerstand (ca. 4×12 Wiederholungen mit 30 Sekunden Pause), dazwischen Arme ausschütteln

2-3 Minuten     Aktivierung der Beinmuskulatur: 4-5 Strecksprünge oder angehockte Sprünge, Kniehebelauf im Stand, Fersenlauf im Stand

2-3 Minuten     Armkreisen und Lockerungsübungen

2-4 Minuten     Visualisierungstraining: stellen Sie sich die Abläufe so vor, wie sie im optimalen Verlauf sein sollten.

Erzeugen Sie das optimale Bild Ihres Rennens!

10-12 Minuten Ausruhen und mentale Vorbereitung

Neben einem lockeren Lauf empfehlen sich einige kurze Sprints sowie letzte Dehnübungen der Muskulatur. Bevorzugen Sie in dem Fall leicht schwingende Übungen, um das Bewegungsmaß Stück für Stück und sehr gut dosiert zu steigern. Hüten Sie sich vor allzu ruckartigem Dehnen. Genauso sollten Sie aber auch auf gehaltene Dehnübungen, wie man sie vom Stretching her kennt, verzichten. Sie könnten durch das reflexbedingte Herunterfahren der Muskelspannung (Muskeltonus) Ihre Leistungsfähigkeit etwas reduzieren.

Einen sehr guten Anhaltswert für ein ausreichendes Aufwärmtraining erkennen Sie sehr leicht selbst. Wenn Sie auf der Stirn leicht transpirieren und Schweißperlen wahrnehmen, wissen Sie, dass Sie bereits über eine gute Betriebstemperatur verfügen. Vergessen Sie bei all der Aufregung nicht, genug zu trinken. Behalten Sie am besten eine kleine Trinkflasche bis kurz vor dem Start bei sich, um das unangenehme Gefühl eines trockenen Mundes zu bekämpfen. Und dann kann es auch schon losgehen! Mit dem richtigen Aufwärmprogramm werden Sie schneller in den eigenen Rhythmus finden und den Stoffwechsel zudem früher in ein Gleichgewicht bekommen. Beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wettkampf.

Das optimale Einschwimm-Programm

aus dem Artikel „Das optimale Einschwimmprogramm“ zum Artikel >> KLICK

Wie sieht ein Einschwimmprogramm nun im Detail aus? Die Trainer berichten von einem Einschwimmvolumen, das zwischen 1.300 und 2.100 Metern liegt. Ein typischer Ablauf sieht dabei in etwa so aus:

400-1.000m                Gleichmäßiges Einschwimmen mit ca. 50-70% Intensität

200-600m                   Technikübungen, Wenden und Starts

100-400m                   Tempoübungen mit kurzen Tempospitzen

400m                           3-4x Wiederholungen: Kurze Tempoaufgaben in Renntempo (25m Sprint, 50m Angangstempo u.ä.)

100-400m                   Lockeres Ausschwimmen

 

Von Holger Lüning