Training steuern mit Intuition und Selbstregulierung
Feedback-Methoden und Selbst-Regulierung
Könnten Sie sich vorstellen, bei einem Wettkampf regelmäßig an jeder Wende stehenbleiben zu müssen, um Geschicklichkeitsspiele zu absolvieren? Und stellen Sie sich vor, die dort erzielten Leistungen würden auch noch in Ihr Gesamtergebnis einfließen und Ihre Endzeit wesentlich mitbestimmen.
So in etwa muß man sich das im Biathlon vorstellen. Da kommt man mit rasendem Puls und pochendem Herzen an den Schießstand und muss innerhalb weniger Sekunden in eine entspannte und dennoch stabile Körperposition kommen. Doch nicht nur das: auch gedanklich gilt die volle Aufmerksamkeit dem Anvisieren der Zielscheibe, einer ruhigen Gewehrhaltung und einem gezielten Schuss. Eine enorme körperliche und vor allem mentale Leistung wird in diesen Momenten von den Sportlern abverlangt. Und immer kombiniert mit dem Wissen, dass eine schlechte Schussleistung eine überragende Laufleistung innerhalb weniger Sekunden zunichtemachen kann.
Physiologische Abläufe sichtbar machen
In solchen Sportaren hat sich deshalb eine Methode etabliert, die es dem Sportler ermöglicht, seine eigenen, normalerweise unbewusst ablaufenden Körperfunktionen wie Muskelspannung, Atmung, Durchblutung und Augenbewegungen zumindest kurzfristig kontrollieren zu können. Methoden des Biofeedbacks geben dem Sportler in simulierten Wettkampfsituationen mittels speziellen Instrumenten und Meßeinrichtungen eine audio-visuelle Rückmeldung. Damit werden physiologische Vorgänge für das Bewusstsein sichtbar und hörbar wahrnehmbar gemacht.
So wird das Schlagen des Herzens beispielsweise über Töne dargestellt. Das gibt dem Sportler die Möglichkeit, unterschiedliche Atemtechniken auszuprobieren und die unmittelbare Auswirkung auf die Herzfrequenz zu erkennen und diese dann im Wettkampf einzusetzen. Besonders in Sportarten, in denen es stark auf die Konzentration eines Sportlers ankommt, entscheiden Faktoren der Selbstregulierung häufig über Erfolg und Misserfolg.
Vorfreude erzeugen statt Stress spüren
Um sportlichen Bewegungen die maximal mögliche Präzision zu geben, müssen ideale Voraussetzungen geschaffen werden. Dafür ist im Regelfall der Sportler selber zuständig, da er stabile Voraussetzungen in einer Wettkampfsituation für sich selber erzeugen muss. Dazu wiederum bedarf es unterschiedlicher Techniken wie Autogenes Training oder verschiedener Entspannungs- und Atemmethoden.
Das audio-visuelle Feedback solcher Körperfunktionen ermöglicht es dem Sportler schon in Trainingssituationen die ideale Methode zur Eigenregulierung zu trainieren. Damit stabilisiert sich seine Leistung auch unter widrigsten Wettkampfbedingungen.
Hier vermischen sich also Erkenntnisse aus der Psychologie und der Medizin. Physiologische Vorgänge im Organismus werden verbildlicht oder vertont und mit psychischen Regulationsmechanismen gekoppelt. Deshalb werden Methoden des Biofeedbacks sehr erfolgreich im Stressmangement eingesetzt, um Patienten zu erfolgreichen Entspannungs- und Bewältigungsstrategien zu verhelfen. Im Alltag erkennt man die Zusammenhänge zwischen physiologischen und mentalen Abläufen vor allem aus der umgekehrten Perspektive.
Erwartung bewusst steuern
Denken Sie an typische Körperreaktionen auf äußere Stressreize wie eine Rede vor einem Publikum. Plötzlich stehen wegen der Aufregung Schweißperlen auf der Stirn, die Atemfrequenz erhöht sich und der Mund wird trocken. Reaktionen, die allesamt nicht hilfreich sind, um die beste Leistung abzuliefern. In solchen Momenten ist es von Vorteil, wenn man Routine in solchen Abläufen hat oder zusätzlich über regulative Verhaltensmaßnahmen verfügt. Dann weicht die Aufregung ganz schnell einer vorfreudigen Haltung kombiniert mit der berechtigten Aussicht auf eine optimale Leistung.
Sportler, die mit Maßnahmen vertraut sind, die diese Gefühlszustände regulieren, können sehr viel sicherer Ihren optimalen Leistungsbereich ausschöpfen und Ihre Leistung sehr viel stabiler abrufen. Hier helfen Ihnen vor allem Erfahrung und das Lenken der Aufmerksamkeit auf die eigene Person. Je fokussierter man auf die eigenen Stärken und das Entwickeln einer echten Vorfreude ist, umso besser wird die Leistung sein. Somit verändern Sie spontanes, manchmal unkontrolliertes Verhalten und konditionieren sich nachhaltig neu.
Biofeedback-Methoden entfalten zweifelsohne vor allem mittels aufwändiger Apparate ihre volle Wirksamkeit. Doch auch ohne Hilfsgeräte kann man in Training und Wettkampf einige Erkenntnisse und verschiedene Aspekte für sich nutzen.
BORG-Skala als Radarsystem
Interessant ist es auch, bereits im Training eine Methodik für sich zu entwickeln, die Momente der Anstrengung zu klassifizieren. Dazu kann man die Borg-Skala (hier in modifizierter Form) heranziehen.
Mit der Auseinandersetzung der eigenen Gefühlslage und Empfindung steigt nicht nur die Achtsamkeit sich selbst gegenüber, sondern auch das Potenzial, sich selbst zu steuern!
Der Belastungsgrad und die Zielrichtung der verschiedenen Trainingsformen unterscheiden sich zum Teil stark voneinander. Damit Sie selbst oder auch Ihren Athleten Anhaltspunkte zur subjektiven Belastungsempfindung geben können, empfiehlt sich die sogenannte Borg-Skala (nach Gunnar Borg – Wikipedia-Link hier). Das subjektive Empfinden kann man wie folgt auf einer Skala von 0-10 klassifizieren und sich damit quasi via Radarsystem selber über den aktuellen Zustand informieren – hier als Beispiel in der Ergänzung mit den Anstrengungen in den unterschiedlichen Trainingsbereichen:
Skala Empfindung Trainingsbereich
0 überhaupt keine Atemnot ReKom
1 sehr milde ReKom
2 milde ReKom – GA1
3 mäßig GA1
4 schon recht schwer GA1 – GA1-2
5 schwer GA1-2 – GA2
6 harte Belastung GA2
7 sehr schwer GA2 – SA
8 sehr schwer,hohe Willensanstrengung SA – S – WA
9 sehr, sehr schwer WA – Test – S
10 maximale Leistung Test
(modifiziert nach Borg-Skala)
Training auflockern
Versuchen Sie Ihre unbewusst ablaufenden Vorgänge wie Atemfrequenz und Muskelspannung kurzfristig so zu kontrollieren, dass Sie die vorher gewählten Aufgaben optimal bewältigen können. Dabei zielen diese einfachen Übungen besonders auf die bewusste Wahrnehmung ab. Das Auflockern Ihres Schwimmtrainings durch kleine Balance- oder Geschicklichkeitsübungen erhöht nicht nur die Wahrnehmung, sondern fördert das aktive „mentale Teilnehmen“. Auch Zeit-, Frequenz- und Zugvorgaben und deren exakte Erfüllung können das Feingefühl bedeutend erhöhen. Plötzlich wird das Training auch zur geistigen Herausforderung mit spielerischem Charakter, das Körper und Geist noch besser kommunizieren lässt. Sie werden nicht nur koordinative Trainingseffekte verspüren, sondern sich auch ein größeres Handlungsrepertoire aneignen. Maßnahmen, die allesamt zu einer deutlichen Leistungssteigerung führen können.
Hey Holger,
ich bin es mal wieder. Apropos Trainingsbereiche. Ich habe eine Tabelle gefunden, wo anhand des 100m Schwellentempos diese berechnet wurden. (siehe hier: http://www.netzathleten.de/fitness/richtig-trainieren/item/4493-triathlon-trainingsbereich-beim-schwimmen-berechnen)
Kannst Du da mitgehen? Als Beipspiel: Wenn ich mich richtig zusammen reiße, schaffe ich die 10x100m in 1:27min – ist das dann mein Schwellentempo oder soll ich lieber einen 400m Test machen?
Freue mich über Dein Feedback 🙂
Sören
Hallo Sören,
ich halte die Berechnung und die Ergebnisse für nicht ganz der Realität entsprechend. Aus meiner Sicht ist ein 400m-Test (siehe CSS-Artikel) deutlich aussagekräftiger. Auch im Schwimmsport werden lange Strecken nicht zur Berechnung herangezogen, um die prozentualen Werte nach unten hin (d.h. schnellere & intensivere Tempobereiche) zu ermitteln, sondern maximal die 400m-Distanz. Noch aussagekräftiger wäre z.B. ein 8x200m-Stufen-Test mit Laktat-Messung. Ich schaue, dass ich den Test als Beispiel diese Woche noch online stelle. Viel Erfolg!
Viele Grüße
Holger
Danke für Dein Feedback! Ja, 400m Test ist auch auf dem Plan. 8×200 Stufentest klingt auch interessant. Nur die Laktatmessung dürfte für den ottonormal Triathlet schwierig werden 😀
Bester Gruß
Sören
Ginge auch ohne Laktatmessung mit Bestimmung der Herzfrequenz und des Tempos.