TRAINING: Warum die Beinarbeit so wichtig ist
Doppel-Turbo Beinarbeit
Große Muskelgruppen, die viel Energie verbrauchen und dabei auch noch relativ wenig Anteil am Gesamtvortrieb haben. Die Meinung über die Beinarbeit im Schwimmen ist häufig nicht die beste. Ein wenig zu Unrecht?
Wenn es im Training um die Beinarbeit-Serien geht, sieht man nicht nur begeisterte Gesichter. Man liebt es oder … man liebt es eben nicht. So einfach könnte man sich die Sache machen, wenn da nicht einige Aspekte wären, die ein neues Licht auf die Arbeit der unteren Extremitäten werfen könnte.
Das könnte vor allem dann passieren, wenn man die Beinarbeit einmal gar nicht unter dem prüfenden Licht des Vortriebs betrachtet. Denn das ist es nicht allein, was die Beine zur schwimmerischen Gesamtleistung beitragen. Das merkt man besonders dann, wenn „die Beine nicht da sind“, wie der Schwimmer so sagt, wenn die Beine schwer sind.
Schneller schwimmen bedeutet bessere Wasserlage
Die Widerstandskomponenten sind im Schwimmsport eine der größten Hürden, wenn es um schnelles und effizientes Schwimmen geht. Das zähe Medium bremst den menschlichen Körper ab, wo es nur kann. Nur mit Geschick und gehöriger Athletik ist man in der Lage, ein Szenario zu schaffen, dass eine strömungsgünstige Position schafft. Dabei wird häufig vergessen, dass im Schwimmen ähnliche Gesetzmäßigkeiten gelten wie beim Fliegen. Wollen wir buchstäblich abheben, muss an der Unterseite mehr Druck herrschen als auf der oberen. Dann nämlich bewegt sich der Körper oben an der Wasseroberfläche. Jedoch hängt dieser „Anpressdruck“ sehr wesentlich vom Tempo des Körpers ab. Ein Flugzeug benötigt dafür eine recht lange Startbahn. Wer schnell schwimmt, liegt also höher im Wasser! Das ist jedoch manchmal einfacher gesprochen als getan.
Und da kommen die Beine wieder ins Spiel zurück. Tempo entsteht vor allem dann, wenn der Schwimmer in der Lage ist, seine eingesetzte Armkraft am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu platzieren. Ist der Wasserwiderstand durch hängende oder inaktive Beine zu hoch, verpufft die Investition. Oder anders gesprochen: man bremst sich selber ab.
Schlau ist also, wer die Beinarbeit so einsetzt, dass er eine optimale Wasserlage erzeugt. Kommt aus der Bewegung sogar noch ein wenig Vortrieb, liegt der Vorteil klar auf der Hand. Folgerichtig trainieren Spitzenschwimmer sehr gezielt die Beinarbeit unter ermüdetem Zustand. 400-Meter- und 800-Meter-Welterkordlerin Kati Ledecki beispielsweise platziert intensive Beinarbeit-Intervalle wie 8×100 Meter oder 16 x 25 Meter ganz bewusst an das Ende der Trainingseinheiten, um die Fähigkeit der Beine, trotz starker Gesamtermüdung noch eine stabile Leistung erbringen zu können, zu verbessern.
Beinarbeit-Training für Masters unentbehrlich
Mindestens genauso wichtig wie im Spitzenbereich ist das isolierte und konzentrierte Training der Beinarbeit im Mastersbereich. Wenn mit zunehmendem Alter die Kräfte der Arme schwinden und die Dynamik der Unterwasserbewegung nachlässt, sinkt nicht nur das Gesamttempo, sondern auch die Wasserlage. Die Folge? Der Wasserwiderstand erhöht sich zunehmend und der Aufwand der Armkraft nimmt weiter zu.
Verliert man erst einmal den Schub und die Stabilisation durch die Beinarbeit, entwickelt sich eine klar nachvollziehbare Negativspirale. Somit muss dem Training der Beinarbeit besonders auch im Mastersbereich ein sehr hoher Stellenwert beigemessen werden, um die altersbedingten Leistungseinbußen möglichst gering zu halten. Andere Frage unter diese Aspekt: können Delfinkicks denn tatsächlich einen Zugewinn an Geschwindigkeit bringen?
Machen Sie doch mal einen Test. Als Delfin-, Rücken- oder Kraulschwimmer setzen Sie vielleicht die Technik der Delfinkicks nach Start und Wende ein. Untersuchungen haben ergeben, dass diese Technik ein sehr hohes athletisches Vermögen voraussetzt. Haben Sie diese athletischen Fähigkeiten hingegen nicht, kann aus einem geglaubten Vorteil ganz schnell ein Nachteil werden. Schwimmen Sie deshalb einige 15-Meter-Test-Sprints mit und ohne Delfinkicks und vergleichen Sie die Zeiten. Es könnte sein, dass Sie die Technik der Elite doch wieder aus Ihrem Repertoire streichen. Zumindest benötigen Sie dieses objektive Feedback unbedingt, um eine Aussage über die Effektivität treffen zu können.
Triathleten aufgepaßt
Ebenso können Triathlonschwimmer profitieren, wenn Sie regelmäßig an der Effizienz der Beinarbeit arbeiten. Die tendenziell eher mäßige Wasserlage bei Seiteneinsteigern aus anderen Sportarten könnte dann deutlich mehr Kraftaufwand erfordern, als wenn die Beine für eine stabile Wasserposition sorgen würden. Weniger Wasserwiderstand ist gleich schnelleres Schwimmen. Eine attraktive Gleichung. Als Nebenaspekt hilft das isolierte Training der Beine auch der Verbesserung der Rumpfmuskulatur und kann somit auch für das Radfahren und Laufen gewinnbringend sein.
Das Stiefkind Beinarbeit bedarf deshalb vielleicht einer Neubelebung in Ihrem Training. Wenn Sie es nicht ohnehin nicht schon längst tun, dann integrieren Sie doch ab und zu eine kleine Beine-Serie in Ihre Trainingseinheit und denken Sie dabei an den Ausspruch von Ledeckis Trainer: „Es gewinnt immer der Schwimmer den Endspurt, der den besten Beinschlag hat!“ Schöne Aussichten!
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