Blockperiodisierung 1/2: Innovativer Ansatz statt alter Rezepte
Trainingswissenschaftliche Grundsätze zur Periodisierung des Trainings existieren mittlerweile seit fast einem halben Jahrhundert. Doch den vielschichtigen Veränderungen im modernen Spitzensport scheinen neue Trainingsmodelle wie das Blocktraining besser Rechnung tragen zu können.
von Holger Lüning
Training wie in der 60ern?
Mal ganz provokativ gefragt: Würden Sie heute mit Sportgeräten aus den 60er-Jahren einen Wettkampf bestreiten? Würden Sie glauben, damit konkurrenzfähig sein zu können? Die Antwort auf diese rhetorische Frage ergibt sich von selbst. Sie soll eigentlich auch nur dazu dienen, Sie für Veränderungen empfangsbereit zu machen. Denn es lohnt sich, einen Blick auf alternative Ansätze zur Trainingsgestaltung zu werfen. Dabei scheint das Blocktraining besonders großes Potenzial zu haben, nicht nur die Ansprüche der heutigen Zeit sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre effektiv zu berücksichtigen.
Die Stimulation physiologischer Anpassungsvorgänge ist das Hauptanliegen der Trainingsorganisation. Diese Gratwanderung zwischen optimaler Beanspruchung und drohender Überlastung untersuchte man zunächst an Athleten einer Sportart, die nur geringe koordinative Schwierigkeiten aufweist, exakt messbar ist und gleichzeitig eine hohe körperliche Beanspruchung aufweist: das Gewichtheben. Wissenschaftler der ehemaligen Sowjetunion entwarfen auf der Grundlage dieser Erkenntnisse das erste Modell der Periodisierung. Ein Modell, das sehr schnell erfolgreich auf andere Sportarten transferiert wurde. Damit war ein neues Kapitel der Trainingswissenschaft eröffnet worden.
Periodisierung überdenken
Dieses Grundschema der Periodisierung, die progressiv ansteigende Beanspruchung, und das damit verbundene Modell der Superkompensation wurde in den folgenden Jahrzehnten konsequent weiterentwickelt und dennoch nur leicht korrigiert. Das Grundschema hat noch immer Bestand.
Mittlerweile haben sich die Anforderungen an Spitzensportler jedoch geändert. Die Kommerzialisierung des Sports, doch auch die gestiegene Mobilität des Menschen, haben dazu geführt, dass eine Saison nur noch kurze Ruhephasen kennt. Die Trainingswissenschaft mußte folgerichtig ein Modell entwickeln, das den Sportler auf eine häufige Wettkampfteilnahme vorbereitet, dabei aber seine Gesamtentwicklung im größeren zeitlichen Kontext ebenfalls berücksichtigt.
Salnikow als Vorreiter
Russische Forscher um den Sportwissenschaftler Vladimir Issurin nahmen sich dieser Herausforderung an und begannen in den 80er-Jahren mit einigen Sportlern am Modell der Block-Periodisierung zu arbeiten. Und schon mit der „sportlichen Wiedergeburt“ von Vladimir Salnikow, dem Olympiasieger von Seoul über 1500m Freistil und erstem Schwimmer unter der 15-Minuten-Schallgrenze, konnte man erste Erfolge feiern. Zwar schwamm Salnikov bereits am 22.7.1980 bei seinem Goldmedaillengewinn in Moskau mit einer Zeit von 14:58,27 Minuten Weltrekord und erstmalig unter der magischen Grenze. Nach vielen Verletzungen, einer Schulteroperation und anhaltender Formschwäche war sein erneuter Sieg, 8 Jahre später in Seoul eine Sensation und wurde auf das außergewöhnliche Trainingskonzept zurückgeführt.
Das Training einzelner, isolierter motorischer Fähigkeiten in Trainingsblöcken war das Herzstück des neuen Konzeptes.
Issurin: „Das gleichzeitige Training verschiedener Fähigkeiten beeinträchtigt die Effektivität des Trainings.“ Hinter dieser Aussage verbirgt sich der Ansatz, möglichst wenig sportart-spezifische Inhalte im Training zu vermischen. „Der Körper kann nur eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher Trainings-Stimuli verkraften.“, so der Wissenschaftler anlässlich eines Trainer-Kongresses in Budapest im Sommer letzten Jahres.
Hochkonzentriert und spezifisch
Er definiert das Blocktraining als „Trainingszyklen mit hochkonzentrierten und sehr spezifischen Trainingsinhalten. Diese Zyklen beinhalten ein hohes Volumen an Aufgaben, die sich auf die Verbesserung weniger aber klar definierter Fähigkeiten beschränkt.“ Denn genau hier liege die Schwäche des traditionellen Konzeptes, so Issurin weiter.
Weniger ist demnach mehr? Tatsächlich absolvierten seine Sportler, gemessen am Durchschnitt der Weltklasseathleten, deutlich niedrigere Trainingsumfänge. Die höhere spezifische Beanspruchung und die tiefere physiologische Ermüdung, kann offenbar zu effektiveren Anpassungsprozessen führen. Auf die Frage, wie man zu hohe Belastungen vermeiden kann, führt Issurin die Kürze der Zyklen an und verweist auf eigene Untersuchungen zu den Resteffekten des Trainings.
Diese Erkenntnisse machen es möglich, die Trainingsblöcke ideal aufeinander abzustimmen. Als weitere Planungshilfe wählt man Trainingsinhalte (sog. Modalitäten) innerhalb eines Blocks, die sich ergänzen. Das steigert nochmals die Effektivität und verhindert, dass Inhalte kombiniert werden, die innerhalb eines Blocks nicht kompatibel sind. (siehe Tabelle).
Diese Erkenntnisse geben auch die Gewissheit, innerhalb der Blöcke auf das Training einzelner Trainingsbereiche komplett verzichten zu können, ohne einen Leistungsverlust befürchten zu müssen. Aus diesem Grund ist die Dauer der Blöcke auf eine maximale Dauer von 2-4 Wochen limitiert, um ein sogenanntes De-Training, also den Verlust des spezifischen Leistungsvermögens, zu verhindern.
Nur zwei Inhalte pro Block
Innerhalb eines Blocks wird den maximal zwei definierten Zielen zwischen 60-70% der gesamten Trainingszeit mit genau abgestimmten Trainingsmethoden gewidmet. Der Rest des Trainings besteht aus Aufwärmen, Erholung und Cool Down. Die konsequente und konzentrierte Entwicklung ist demzufolge der wichtigste Anspruch des Blocktrainings.
Die Aneinanderreihung verschiedener Blöcke wird in Mesozyklen beschrieben. Ein Mesozyklus (Accumulation) besteht aus 12 bis 30 Tagen und beinhaltet im Regelfall zwei Trainingsblöcke zur Entwicklung allgemeiner und spezifischer Fähigkeiten. Ihm folgt ein weiterer Mesozyklus (Transmutation) zur Wettkampfvorbereitung von 12 bis 25 Tagen und ein abschließender Block (Realization) der unmittelbaren Vorbereitung und des Taperings für den Wettkampf von 8 bis 15 Tage Dauer. Insgesamt ergibt sich eine Gesamtdauer dieses Abschnitts von bis zu 70 Tagen oder 10 Wochen.
Inhaltlich können sie wie folgt beschrieben werden:
Accumulation (Gesamtlänge: 12-30 Tage):
1-2 Blöcke
Anhäufung von Trainingsreizen
Grundlegende motorische und technische Fähigkeiten
(Aerobe Ausdauer, Maximalkraft, Technik und Koordination)
Transmutation (Gesamtlänge: 12-25 Tage):
1-2 Blöcke
Umwandlung zu spezifischem Leistungsvermögen
Spezifische motorische, konditionelle und technische Fähigkeiten
(Anaerobes Leistungsvermögen, spezifische Kraftausdauer, Technikverfeinerung)
Realization (Gesamtlänge: 8-15 Tage):
1 Block
Festigung des Leistungsvermögens und Formzuspitzung
Unmittelbare Wettkampfvorbereitung und Tapering
(Erholung, Schnelligkeit und Gewandtheit, Aufmerksamkeit, Leistungswillen)
Gennadi Touretski, einer der erfolgreichsten Schwimmtrainer der Welt, nutzte dieses System im Training des fünfmaligen Olympiasiegers Alexander Popov mit überzeugendem Erfolg. Er unterteilte das Trainingsjahr, in Abhängigkeit der zeitlichen Abstände der Wettkämpfe, in Abschnitte (entsprechend jeweils drei Mesozyklen) von jeweils 6 bis 12 Wochen Länge. Auch er konzentrierte sich dabei auf die sechs wichtigsten Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung des Modells:
- Konzentration auf wenige Trainingsziele (max. 1-2) in einem Block
- Hohe Anzahl von Trainingsaufgaben, -übungen in einem Block
- Länge eines Blocks auf 2 – max. 4 Wochen begrenzt
- Ein Mesozyklus besteht aus 1-2 Trainingsblöcken
- Drei Mesozyklen entsprechen einem Trainingsabschnitt von 6 bis 12 Wochen Länge
- Lediglich drei Mesozyklen (accumulation, transmutation, realization) im Gegensatz zur traditionellen Trainingslehre mit 9 – 11 Zyklen
Touretski beschreibt einen wesentlichen Vorteil in der deutlich verbesserten Anpassung der Athleten im Gegensatz zum traditionellen Trainingsmodell. Dort habe das ständig ansteigende Trainingsvolumen zu erhöhter Ermüdung und damit drohender Stagnation geführt. Auch die Gefahr eines Übertrainings wäre stets präsent. Die kurzen, sehr konzentrierten Blöcke gäben dem Organismus dagegen nun auch die Zeit zur effektiven Adaption und führten im Endeffekt zu besseren Resultaten.
Die sehr gezielten Trainingsblöcke stehen folgerichtig im Gegensatz zum ständig ansteigenden Trainings- und Belastungsumfang des traditionellen Modells.
Umbauarbeiten benötigen Zeit
Als Ausdauersportart ist die Entwicklung der Grundlagenausdauer im Schwimmsport einer der entscheidenden Faktoren. Das Training der Ausdauer setzt im Organismus viele Anpassungsvorgänge in Bewegung. Die Anzahl der Mitochondrien steigt und damit auch die Kapazität des oxydativen, also aeroben Stoffwechsels. Mitochondrien werden deshalb auch als die Kraftwerke der Zellen beschrieben. Im weiteren Verlauf nimmt der Gehalt an Myoglobin als wichtigem Sauerstoffträger im Blut zu und die Kapillarisierung der Muskulatur nimmt zu. Damit steht den Leistungsträgern mehr Energie zur Verfügung. Das Ergebnis spiegelt sich in einer erhöhten maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2 max) und damit einer gestiegenen Ausdauerleistung wider.
Diese Prozesse benötigen allerdings Zeit, schließlich handelt es sich um komplexe Umbauarbeiten im Körper eines Sportlers. Dieser kumulative Effekt des Trainings basiert folgerichtig auf einer langjährigen Ausbildung der Ausdauerfähigkeiten.
Für Schwimmer und Triathleten
Sind Sie ein Schwimmer oder Triathlet im Anfangsstadium? Dann ist die Aufgabenstellung für Ihr Training eindeutig: Basisarbeit. Das wichtige Fundament Ihrer Leistung ist das Training der Grundlagenausdauer. Schon allein damit werden Sie Ihre Leistungen verbessern.
Sind Sie dagegen ein Umsteiger, der Erfahrung und einige Trainingsjahre aus anderen Ausdauersportarten mitbringt, ist die Lage schon weniger eindeutig. Bei Ihnen geht es vor allem darum, die lokale Ausdauer zu trainieren. Ihr „Motor“ dürfte schließlich schon gut trainiert sein. Soll heißen, dass Ihr Herz-Kreislauf-System, Lunge und Blut schon auf Ausdauerleistungen ausgerichtet sind. Ihr Training sollte deshalb schon viele spezifische Anteile besitzen.
Und als erfahrener Sportler mit vielen Trainingskilometern „auf dem Buckel“, ist die Aufgabe ganz eindeutig: Sie benötigen zielgerichtete Trainingsreize, um Ihren Organismus auf dem hohen Niveau noch zu neuen Anpassungsreaktionen zu bewegen.
Neue Leistungspotenziale
Das Blocktraining kann für den Einsteiger-Athleten eine nützliche Ergänzung zum wichtigen Aufbautraining sein. Der Umsteiger wird besonders von den sehr spezifischen Inhalten profitieren und seine Leistungsfähigkeit noch schneller in den Ausdauerdreikampf transferieren können. Und für den ambitionierten Sportler oder sogar Berufssportler könnte das Training nach der Blockperiodisierung die Eröffnung neuer Leistungspotenziale darstellen.
Am Ende profitiert also jeder Sportler auf unterschiedliche Weise von diesem Modell. Empfehlenswert für jeden Sportler dürfte diese Methode als effektives und qualitativ hochwertiges Training innerhalb der Saison sein. Im Geflecht von Wettkämpfen und auf der Grundlage einer guten Vorbereitung liefert das Blocktraining völlig neue Reize.
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- Besonderheiten Einsteiger, Umsteiger, Ambitionierter Sportler
- 3x Beispielgliederung Training nach Level
- Zeitlicher Einsatz eines Blocktrainings
- Erholung, Risiken, Tipps und Hinweise
- Vorsicht: bei Blocktraining Kenntnisse über Resteffekte notwendig !!!
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