Wissenschaft

Motivation: Wie ein kleiner Trick helfen kann

Erfolgsquote 91% statt 35%

Warum das „freiwillige Verpflichten“ so wichtig ist

Ziele gehören zum ambitionierten Sport dazu. Natürlich, denn ohne Ziel kein Weg. Ohne Weg keine Planung. Deshalb gilt es für Sportler, Trainer und vielleicht auch Eltern, Ziele zu definieren. Doch das ist nur ein Meilenstein auf dem Weg zum persönlichen Erfolg. Mindestens genauso wichtig ist es, die Etappen und den Weg zum Ziel festzulegen.

Da der Weg, besonders im Sport, nicht selten einige Wochen, Monate oder gar Jahre in Anspruch nimmt, liegt die große Herausforderung auch darin, stets motiviert zu sein und nicht irgendwo/irgendwann abzubrechen. Vielleicht sogar ganz kurz vor dem Ziel!? Gerne stellt man im Sport (und auch anderswo) beim Abbruch die berechtigte Frage: „Vielleicht hat es nur noch ein Quentchen gebraucht, um den angestrebten Erfolg zu erreichen. Ein Scheitern oder Abbrechen sagt dir nicht, ob es vielleicht nicht morgen soweit gewesen wäre!“ Hätte, wäre, wenn – eine Studie aus dem British Journal of Health Psychology kann vielleicht erklären, welche scheinbaren Kleinigkeiten für Erfolg und Scheitern verantwortlich sind. Und damit beginnt dann auch Ihre Hausaufgabe!

Studie

Es handelt sich um eine Untersuchung mit einer Dauer von lediglich zwei Wochen. 248 Personen wurden zufällig in drei Untersuchungsgruppen unterteilt. Hintergrund war die Frage, mit welchen Strategien die Menschen am ehesten ihre persönlichen Ziele erreichen. Die Aufgabe für alle drei Gruppen war identisch:

2 Wochen sollte ein Fitness- und Trainingsplan bestmöglich absolviert werden.

Die drei Gruppen wurden wie folgt eingeteilt.

Gruppe 1: Kontroll-Gruppe

Sie wurde aufgefordert, regelmäßig Sport zu treiben.

Gruppe 2: Motivations-Gruppe

Sie wurde aufgefordert, ein Übungs-Tagebuch zu schreiben, um im Anschluss an die Untersuchung genau Auskunft über die Art & Anzahl der Trainingseinheiten geben zu können. Zusätzlich erhielten Sie eine Lektüre, in der die positiven Aspekte von sportlichem Training beschrieben wurde. Zudem wurden sie durch einen Vortrag für die folgenden zwei Wochen motiviert.

Gruppe 3: Intensions-Gruppe

Diese Gruppe erhielt dieselben Einführungen und Informationen zum Thema wie die Gruppe 2. Zusätzlich jedoch wurden die Teilnehmer in einer Sitzung aufgefordert, mündlich zu äußern, wie ihre Strategie ist, den Trainingsplan umzusetzen. Außerdem wurde jeder Teilnehmer der Gruppe aufgefordert, den folgenden Satz mündlich zu vervollständigen:

„In den nächsten 2 Wochen werde ich jeweils mindestens 20 Minuten trainieren,

und zwar an den (Tagen) im (Tageszeitraum von X Uhr bis Y Uhr).“

Sie wurden also aufgefordert, eine echte Intension, einen handfesten Plan zu artikulieren.

2 Wochen später

Die Ergebnisse der Untersuchungen waren erstaunlich. Wie hoch war die Erfolgsquote gemäß des formulierten Ziels in den jeweiligen Gruppen?

Gruppe 1: 38% der Teilnehmer trainierten wenigstens 1x/Woche

Gruppe 2: 35% der Teilnehmer trainierten wenigstens 1x/Woche

Gruppe 3: 91% der Teilnehmer trainierten wenigstens 1x/Woche

Wer hätte das gedacht? Motivation von aussen ist das eine, vor allem dann, wenn sie von anderen Personen an die Menschen herangetragen wird („ich empfehle dir das zu tun“). Doch auch die Motivationsgruppe („wenn du das tust, wirst du wie folgt davon profitieren“) lag deutlich hinter den Erwartungen der Wissenschaftler zurück. Spektakulär hingegen die Intensionsgruppe („ich habe selber einen klaren Plan zur Umsetzung meiner Ziele“) mit 91% Erfolgsquote!

Das ausgesprochene Ziel sowie die persönliche Strategie zur Umsetzung desselbigen hat zur einer wahren Explosion der Erfolgsquote geführt. Gerne spricht man heutzutage vom „Commitment“, d.h. der persönlichen Verpflichtung. Erstaunlich, mit welch kleinen aber wirkungsvollen psychologischen Werkzeugen ein solcher Erfolgshebel aktiviert werden konnte!

Gehört das Wissen um derartige Leistungsparameter deshalb nicht unbedingt in die Ausbildung von Trainern und Übungsleitern? Könnte man nicht sogar die sehr hohe drop-out-Quote erheblich reduzieren, wenn man in die Interaktion statt in die bloße Vorgabe von Zielen geht? Und umgekehrt: sollten Sportler selber nicht viel häufiger mit dem Sinn und Zweck ihres Tuns bewusst konfrontiert werden? Das Potenzial scheint groß zu sein, wenn man sich das Ergebnis dieser und ähnlicher Studien ansieht.

 

Was lernen wir daraus?

Ganz deutlich wird hier ein wesentlicher Baustein des Erfolgs: Kommunikation! Das gilt für den Sportler in der Kommunikation mit sich selbst, ebenso wie es für Trainer (und auch Eltern) gilt, eine kommunikative Basis zu den Schützlingen aufzubauen. Ein Grundsatz der Kommunikation (ob mit anderen oder zu sich selbst) lautet nicht umsonst

„Die Botschaft entsteht beim Empfänger, nicht beim Sender.“

oder

„Sowohl Sender als auch Empfänger sind für die Qualität der Kommunikation verantwortlich, wobei die unmissverständliche Kommunikation der Idealfall ist und nicht die Regel.“

(Kommunikationsquadrat, Schulz von Thun)

Der Sender sollte sich vergewissern, dass seine Nachricht auch so beim Empfänger ankommt, wie er sich das wünscht. Ohne diese Basis ist jedes Zielführungsgespräch von Zufällen geprägt – und meistens auch von Misserfolgen  … obwohl beide „das Beste wollten“. Das gilt auch in der Kommunikation mit sich selbst!

Ein Baustein, der in der Ausbildung fehlt

Hier klafft aber auch eine große Wissenslücke bei den Trainern, da dieser Ausbildungsteil in den Trainer-Lehrgängen schlicht fehlt. Doch wie soll ich Sportler motivieren können, wenn ich nicht auf ihrer „Frequenz funke“? Ist dieser Bereich nicht viel wichtiger – mindestens jedoch genauso wichtig – als das Faktenwissen um Herzfrequenz, Laktat, Watt oder sonstige diagnostische Parameter? Ein Gedanke zu diesem Zusammenhang.

Beispiel: der Nutzen einer Leistungsdiagnostik

Stellen wir uns vor, wie die drei Personen aus den oben genannten Gruppen an einer Leistungsdiagnostik teilnehmen. Wer würde, auf den persönlichen Leistungsstand bezogen, die aussagekräftigsten Werte produzieren? Eindeutig die Gruppe 3. Doch haben wir es als Trainer auch viel zu oft mit Gruppe 2 (oder sogar 1) zu tun. Oder wahrscheinlich mit einer Mischgruppe.

Das Ergebnis einer Leistungsdiagnostik kann nur vage und grob angeben, wie der Sportler optimal zu trainieren hat. Doch was bleibt dem Trainer, dessen Ausbildung auf diesen Angaben fußt, anderes übrig als sich auf die ermittelten Daten zu beziehen? Und was bleibt dem Athleten, der seine eigene Motivation und Intension nicht steuern kann oder ihrer sogar gar nicht bewusst ist?

Chancen und Potenziale erschließen

Schaffen wir es nicht, Trainer und Übungsleiter in den relevanten Bereichen – eben die, die Leistung beeinflussen und ermöglichen – auszubilden, fehlen wichtige Qualifikationen, um Sportler zu ihren besten Leistungen zu bringen. Unabhängig von der sport-fachlichen Befähigung, liegt im Bereich der Kommunikation und der Typenlehre sicherlich viel brach liegendes Potenzial. Das gilt auch für Sportler und Eltern. Letztere sind mit allem, was sie tun und sagen in einer großen Verantwortung in ihren Kindern gegenüber – nicht nur, wenn es um die Erreichung sportlicher (und auch anderer) Ziele geht.

Die Studie zeigt doch recht eindrucksvoll, von welchen Kleinigkeiten Erfolg und Misserfolg abhängen kann.

von Holger Lüning

Hinweis zur Studie > KLICK