Studie: Vergleich Krafttraining mit geschlossener und offener kinetischer Kette
8 Wochen Untersuchungszeitraum
Welches Krafttraining ist am effektivsten?
Krafttraining gehört seit Jahrzehnten zu einem leistungsorientierten Schwimmtraining dazu und ist eine wichtige Grundlage, um einen hohen Impuls beim Abdruck gegen das Wasser in der Zug- und Druckphase zu realisieren.
Verschiedene Ansätze begleiten die Diskussion um das effektivste Krafttraining genauso wie der Wunsch, dass das Landtraining ebenfalls als Prophylaxe dienen solle, um Überlastungsschäden durch die monotone Belastung vor allem auf das Schultergelenk, zu verhindern. Wir haben zu diesem Themenkomplex eine aktuelle Studie gefunden.
Erklärung:
Jedes Gelenk ist eine bewegliche Verbindung und wird deshalb als kinetische Verbindung bezeichnet. Der aus der Technik stammende Begriff der „kinetischen Kette“ bezeichnet beim menschlichen Körper die mehrteilige Verbindung aus Gelenken, den dazu gehörigen Knochen und den Muskeln als den „Initiator“ und „Motor“ der Bewegung. Im Sport beschreibt man deshalb Bewegungen als kinetische Kette, da sie aus der Kombination der o.g. drei Teile bestehen.
Im Krafttraining der Sportarten wird deshalb versucht, eine kinetische Kette zu trainieren, um dieses Zusammenspiel unter hoher Gewichtslast zu optimieren. Damit soll der Transfer in die sportartspezifische Bewegung verbessert werden. Dem gegenüber steht das isolierte Training nur eines oder weniger Muskeln – meistens in Kraftgeräten durchgeführt.
Man unterscheidet zwischen offenen und geschlossenen kinetischen Ketten.
Offene kinetische Kette: wenn das Ende der Kette offen ist, wie z.B. die Hand als nicht fixiertes Endteil der Extremität. Somit gehören auch Kraftübungen an Geräten (Beinstrecker, Bankdrücken u.ä.) dieser Kategorie an. Aber auch Trockenübungen für das Schwimmen, wie Zugseil- oder Schwimmbank-Training, sind offene Ketten, da das Endglied (Hand) frei beweglich ist. Offene kinetische Ketten besitzen deshalb immer eine größere Bewegungsfreiheit und sind demzufolge durch eine höhere Beweglichkeit charakterisiert.
Geschlossene kinetische Kette: diese Bewegungskette ist deutlich kompakter und funktioneller, da häufig Hände oder Füße fixiert sind und keine freie Bewegung (Klimmzug, Liegestütz u.ä.) ausführen können. Durch die Fixierung eines Kettenendes stehen die Gelenke unter höherer Spannung, ebenso wie der gesamte Körper. Grundsätzlich gilt, dass die Kettenglieder endlos untereinander verbunden sind (z.B. auch Kreuzheben).
Kinetische Kette im Schwimmen: In der Schwimmpraxis begegnet uns ein Phänomen, da es sich bei der Schwimmbewegung weder um eine eindeutig offene noch um eine geschlossene kinetische Kette im Sinne der Definition handelt. Denn weder der Fuß noch die Hand sind in irgendeiner Form fixiert. Die Quasi-Schwerelosigkeit lässt eine klassische kinetische Kette nicht entstehen, da die erwünschte Verdrehung des Körpers (vor allem des Oberkörpers zum Unterkörper) nicht gekontert werden kann. Deshalb sind Vergleiche der Schwimmbewegung z.B. mit dem Werfen oder anderen Sportarten im Grunde nicht hilfreich, da sie wesentliche Eigenschaften – wie sie oben genannt sind – ignorieren. In einem solchen Vergleich müsste man die Wurfaktion eher auf Glatteis verlegen, um zu erkennen was passiert … und was nicht. Damit können grobe Fehleinschätzungen hinsichtlich der optimalen Schwimmtechnik ausgelöst werden. Zudem handelt es sich beim Schwimmen um eine Fortbewegung des eigenen Körpers mittels der körpereigenen Hebel und Antriebsflächen. So gesehen ist das Schwimmen eigentlich mit keiner anderen Sportart vergleichbar!
Folgerichtig kommt der Stabilisierung des Rumpfes und der kraftübertragenden Elemente eine besondere Bedeutung zu. Nicht ohne Grund ist das Schultergelenk deshalb ein stark beanspruchtes „Bauteil“ im Schwimmsport, da es das kraftübertragende Element ist.
Das Krafttraining besitzt eine hohe Relevanz für die schwimmsportliche Leistung. Schließlich gilt es, die antriebsrelevante Muskulatur zu stärken, die ihre Kraft wiederum auf die Hebel transferiert, um daraus einen Vortrieb zu generieren. Hier gewährt die vorliegende Studie einen Einblick in die zwei genannten Ausprägungen der kinetischen Kette hinsichtlich des Krafttrainings für Schwimmer, insbesondere unter Beachtung des Symptoms der Schwimmer-Schulter.
Studie entnommen: Asian Journal of Sports Medicine, 10 (2), e82158. (Abschrift des Abstracts hier).
Autoren: Shahpar, F. M., Rahnama, N. & Salehi, S. (2019)
Ziel dieser Studie:
In Übereinstimmung mit den vielfältigen Ursachen des Impingement-Syndroms (Einklemmung z.B. der Sehnen, auch als Schwimmer-Schulter bekannt), welches eine schwere Verletzung der Schulter des Schwimmers darstellt, ist die Wahl einer wirksamen Methode zur Verhinderung von Schulterverletzungen wichtig.
Zweck:
Der Zweck dieser Studie war es, die Wirkung von achtwöchigen Übungen mit offener und geschlossener kinetischer Kette auf das Muskelmoment von inneren und äußeren Schulterrotatoren (Rotatorenmanschette als muskuläre „Ummantelung“ des Schultergelenks) bei Elite-Schwimmern zu vergleichen.
Methoden:
In dieser Studie wurden 45 Schwimmer anhand der Einschlusskriterien ausgewählt und zufällig und gleichmäßig in drei Gruppen von Übungen mit offener Kette, Übungen mit geschlossener Kette und Kontrollübungen aufgeteilt.
Die Gruppen mit offener und geschlossener Kette führten acht Wochen lang dreimal pro Woche ihre eigenen Übungen durch, die Kontrollgruppe erhielt jedoch keine Übungen für die oberen Extremitäten.
Vor dem Training wurde das Anzugsmoment der Außen- und Innenrotatoren der Schulter mit der isokinetischen HUMAC NORM-Maschine bei verschiedenen Geschwindigkeiten von 60, 120 und 180 Grad / s gemessen. Nach achtwöchigem Üben wurden die Variablen erneut gemessen. Der Shapiro-Wilk-Test wurde zur Datennormalisierung verwendet, Einweg-ANOVA- und Tukey-Post-Hoc-Tests wurden entsprechend verwendet, um die Gruppen zu vergleichen und den Unterschied innerhalb der Gruppe zu zeigen (P <0,05).
Ergebnisse:
Die Ergebnisse dieser Studie zeigten, dass achtwöchiges Training mit offener und geschlossener Kette das Drehmoment der internen und externen Schulterrotatorenmuskeln bei 60, 120 und 180 Grad pro Sekunde verbesserte (P <0,05). Es gab einen signifikanten Unterschied zwischen Übungen mit offener Kette und Übungen mit geschlossener Kette und der Effekt von Training mit offener Kette war größer als Training mit geschlossener Kette (P <0,05).
Schlussfolgerung der Autoren:
Aus dieser Studie kann geschlossen werden, dass offene und geschlossene Bewegungskettenübungen das Drehmoment der äußeren und inneren rotierenden Muskeln bei Schwimmern verbessern. Sie schlagen auch vor, dass offene kinetische Kettenübungen in dieser Hinsicht effektiver sind als Übungen mit geschlossener kinetischer Kette, so dass sie für Schwimmer empfohlen werden könnten.
Wirkungsvolle Übungen an Land
In Trainingsplan 106 haben wir 6 effektive Übungen vorgestellt, um einer Überlastung des stark beanspruchten Schultergelenks vorbeugend entgegenzuwirken. Hier ist das Video zum Trainingsplan mit zahlreichen Erklärungen und allen Übungen in der Praxis. Zum Start des Videos einfach auf das Motiv klicken!