TECHNIK: Beinarbeit – Propeller oder Anker?
Propeller oder Anker? Alles über die Beinarbeit
Schaut man sich Boote im Vergleich zu Schwimmern an, so fällt auf, dass es nur eine Antriebsquelle gibt. Anders als Schwimmer, die Arme und Beine koordinieren müssen, bewegen sich Boote lediglich mit der Hilfe eines Propellerantriebs voran. Dieser Propellerantrieb könnte der Beinarbeit entsprechen – wenn es doch nur so leicht wäre.
Tatsächlich findet man beim Schwimmen in Bezug auf die Vortriebsleistung der Beine eine enorme Bandbreite: von Anker bis Propeller ist alles zu finden. Wie ist das bei Ihnen? Sind Sie ein geborener „Beine-Schwimmer“ oder eher ein Schleppbeinschlag-Schwimmer? Vielleicht befinden Sie sich zwischen diesen beiden Extremen? Das dürfte die beste Ausgangsposition sein, um mit ein paar Tipps noch etwas mehr Tempo heraus zu kitzeln.
Fußzehen nach innen
Ähnlich wie bei der Armbewegung beruhen die Grundprinzipien der Beinarbeit im Delfin-, Rücken- und Kraulschwimmen auf den gleichen Prinzipien. Die Idealposition sieht jeweils eine leichte Einwärtsdrehung der Füße vor, um die Antriebsflächen des Fußrückens optimal einsetzen zu können. Simulieren Sie diese Position an Land, so dürfen sich die großen Fußzehen gerne auch mal berühren. Damit ergibt sich auch schon ein Abstand zwischen den Knien, der ca. eine Handbreit groß ist. Mehr sollte es nicht sein.
Mindestens genauso entscheidend für den dauerhaften und ökonomischen Einsatz der Beine ist die muskuläre Spannung, die Sie aufbauen. Die sollte nämlich besonders im Sprunggelenk nur schwach dosiert vorhanden sein. Glücklicherweise fixiert das Sprunggelenk den Fuß wie durch eine „Arretierung“, die keine zusätzliche Fixation benötigt. Und genau hier fängt sich die Spreu vom Weizen zu trennen, wenn es um eine effektive Beinarbeit geht.
Viel zu häufig wird mit dem Fuß aktiv gegen den Wasserdruck gearbeitet. Die aufgebaute muskuläre Spannung zeigt sich durch die Kontraktion des vorderen Schienbeinmuskels (Tibialis Anterior), der für das Heben und Anziehen des Fußes zuständig ist. Versuchen Sie diese Situation einmal künstlich, z.B. durch das Drücken des Fußrückens gegen das Stuhlbein, zu simulieren. Sie werden spüren, wie mühsam die muskuläre Arbeit ist und wie relativ wenig Kraft Sie dabei erzeugen. Problematisch an diesem Zustand ist, dass Sie im Wasser nicht nur den Schienbeinmuskel aktivieren.
Locker und flexibel bleiben
Integrieren Sie diesen aktiven Druck des Fußrückens gegen das Wasser während der komplexen Beinarbeitsbewegung, so „verwickeln“ Sie das gesamte Bein in diesen Vorgang. Das Ergebnis: der Beinschlag wird steif statt flexibel und die muskuläre Arbeit erhöht sich übermäßig. Besonders schwimmerische Seiteneinsteiger im Triathlonsport kennen diese Problematik. Es ist sogar zu beobachten, wie einige Sportler bei Beinarbeitsübungen mit Brett in der Vorhalte rückwärts schwimmen. Eigentlich kaum zu glauben, aber durch das steife Fußgelenk und den damit verbundenen falschen Anstellwinkel des Fußrückens tatsächlich möglich!
In diesem Fall ist das Szenario katastrophal: wenig bis gar kein Vortrieb und gleichzeitig ein enorm hoher Energieaufwand, der nicht selten zu unangenehmen Krampfzuständen führt. Versuchen Sie, mit behutsamen Dehnübungen (z.B. Kniesitz) die Flexibilität des Sprunggelenks moderat zu verbessern und gleichzeitig die Spannung aus dem Unterschenkel zu nehmen. Lassen Sie die Füße zu flexiblen Flossen werden. Aus gutem Grund gibt es keine Flossen aus Holz.
Doppelfunktion der Beinarbeit
Für Beinarbeitsspezialisten hingegen, sind die Füße weit mehr als nur Stabilisationsgeräte. Der Delfinkick kann bei optimaler Ausführung dem Propellerantrieb eines Bootes gleich kommen. Dann, wenn der Rumpf absolut stabil ist und der Kick dank technischem Können und entsprechender muskulärer Ausbildung seine volle Wirkung entfalten kann, sind enorm schnell Schwimmzeiten möglich – wenn auch energiebedingt über sehr kurze Distanzen. So wie in diesem Beispiel von Ryan Lochte, der die 50 Meter Delfinkick in sagenhaften ca. 22.75 Sekunden (ungefähre Umrechnung dieser Leistung von 50yards in 20.8 Sekunden) schwimmt.
Hier wird deutlich, wie sehr eine gut trainierte Rumpfmuskulatur für schnelles Schwimmen benötigt wird. Der wichtigste Tipp bleibt jedoch: versuchen Sie, eine gute Flexibilität im Sprunggelenk und im Fuß zu erzeugen, um die optimalen Strömungszustände zu erzeugen. Unterstützen können Sie diese Fähigkeiten mit gymnastischen Übungen an Land oder Trainingsübungen mit Kurzflossen, die Ihnen dank der größeren Antriebsfläche ein gutes Gefühl über die korrekte Bewegungsausführung vermitteln können. Stück für Stück werden Ihre Füße zu Propellern!
Von Holger Lüning
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