Training & Wettkampf

WETTKAMPF: Warum der Delfin-Kick langsam …

… machen könnte!

Delfin-Kick: der Turbo für Jedermann?

Es war im Jahre 1988 als der russische Rückenschwimmer Igor Poljanski die Schwimmwelt überraschte. Als bei der 25-Meter-Marke schon alle Mitstreiter in seinen Rennen zu sehen waren, tauchte Poljanski noch unter der Wasseroberfläche. Als er dann bei 35 Metern hoch schoss, lag er eine Länge vor dem Rest des Feldes. Damit war eine neue Ära des Rückenschwimmens geboren: der Delfin-Kick gehört seitdem zum Repertoire eines guten Rückenschwimmers.

Und spätestens als Michael Phelps fast zwei Jahrzehnte später in einem denkwürdigen 200-Meter-Freistil-Finale bei der WM 2007 in Melbourne die Konkurrenz mit seinen Delfin-Kicks an der letzten Wende fast düpierte (Klick hier zum Youtube-Video), war jedem Schwimmer bewusst, welche Chancen kräftige Unterwasser-Kicks für eine persönliche Spitzenleistung bieten können.

Spezifisches Training notwendig

Seitdem genießt das spezifische Training der Beinarbeit einen neuen Stellenwert. Besonders im Spitzenbereich ist eine Topleistung in den Disziplinen Freistil- (bis 200 Meter), Rücken- und Delfinschwimmen ohne eine optimierte 15-Meter-Unterwasserphase nach Start und Wende nicht mehr denkbar. In einem Showwettbewerb schwamm der US-Amerikaner Ryan Lochte jüngst die 50 Yards Delfin-Kick Unterwasser in 20.8 Sekunden – das entspricht einer 50-Meter-Zeit von ungefähr 22.75 Sekunden (siehe Video ganz unten). Eine beeindruckende Leistung!

Nun stellt sich abseits des Hochleistungssports natürlich auch für alle anderen Schwimmer die Frage nach den persönlichen Möglichkeiten einer Technikumstellung, also einer Verlängerung bzw. Umstellung der Unterwasserphase. Deshalb lohnt sich eine kritische Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen Möglichkeiten. Denn eins vorweg: eine pauschale Befürwortung kann es nicht geben.

Das Gegenlager Oberkörper

In der idealen Form der Bewegung bleibt vor allem der Oberkörper als Gegenlager des Beinhebels in einer stabilen Position. D.h. die Körpermitte wirkt dem enormen Hebel aktiv entgegen, um die Wasserposition und Schwimmrichtung halten zu können. Was in der Praxis nichts anderes bedeutet als: die Rumpfmuskulatur sollte extrem gut ausgeprägt sein, um aus der Delfin-Bewegung einen spürbaren Zugewinn an Geschwindigkeit erzielen zu können.

Fehlt diese Stabilisierung im Rumpf, so kommt es zu ungewollten Aufwärts- und Abwärtsbewegungen oberhalb der Hüfte. Diese Hoch-/Tiefbewegung reduziert auf der einen Seite die Effektivität des Beinhebels und erhöht auf der anderen Seite den Wasserwiderstand. In dieser Betrachtung wird schnell deutlich, dass diese Technik nur dann schnell ist, wenn sie perfektioniert ist.

In Training und Wettkampf bei Jugend- wie auch Mastersschwimmern sieht man dann häufig stark ausufernde Hüft- und Oberkörperbewegungen, die aus einer instabilen Körpermitte resultieren. Dazu addiert sich oftmals eine übermäßige Steuerbewegung in den Händen, die zu Beginn der Bewegung angestellt werden, um die Wellenbewegung einzuleiten. Der Korridor im Wasser nimmt dadurch unnötig zu und somit entspricht der Wunsch einer Tempoerhöhung nicht mehr der Realität.

Oberkörper stabilisieren

Schaut man sich die Spitzenschwimmer an, so fällt vor allem die verhältnismäßig ruhige Position des Oberkörpers auf. Der wuchtige Schlag aus der Hüfte abwärts sorgt dann für einen schnellen aber effektiven Impuls auf das Wasser. Nur so kann es zu einem Abdruck kommen, der den Schwimmer nach vorne katapultiert.

Testen Sie deshalb selber genau, ob Sie sich mit dieser Spitzentechnik tatsächlich einen Vorteil verschaffen und sich zu einer Leistungsverbesserung verhelfen. Schwimmen Sie dazu mehrfach kurze Sprintstrecken über 10 bis maximal 15 Meter mit verschiedenen Abstoss- und Beinschlagtechniken. Das Gleiche sollten Sie in der Wettkampfsimulation mit einem Startsprung absolvieren. Lassen Sie die Zeiten stoppen! Bleiben Sie bei diesen Streckenlängen zur Optimierung und Überprüfung der Technik. Längere Schwimmstrecken würden den Anteil der Beinbewegung minimieren und das Ergebnis verwässern.

Neue Fähigkeiten müssen erworben werden

Denn eins muss Ihnen bewusst werden. Allein die Änderung von traditioneller Wenden- und Abstosstechnik hin zum Delfinkick bringt Ihnen keinen Vorteil, wenn Sie diesen mittels einer großen Wellenbewegung durchführen. Im Gegenteil: es ist dann sogar zu befürchten, dass fehlende athletische Fähigkeiten zu einem Tempoverlust führen könnten.

Folgerichtig bedarf es einiger Vorübungen, um den Turbo zu zünden. Dazu gehört eine ausreichende athletische Fitness, die Sie über Rumpfmuskel-Übungen trainieren können. Zusätzlich sollten Sie die Beweglichkeit Ihrer Sprunggelenke verbessern. Denn nur, wenn die Füße elastisch wie Flossen sind, kommt es zu einem wirkungsvollen und kurzen Abdruck.

Training der Beinarbeit

Zusätzlich ist ein spezielles Wassertraining der Beinarbeit unerlässlich. Und auch hier macht es die Spezifik. Trainieren Sie die Beinbewegung so, wie Sie sie auch im Wettkampf einsetzen wollen. In der Praxis sind das kurze und sehr intensive Intervalle über maximal 25 Meter. Ergänzend dazu können Sie längere Strecken als Basistraining einfügen.

Das sogenannte Overload-Training, also unter erschwerten Bedingungen, unter Zuhilfenahme von bremsenden Elementen (Widerstandshose, Shirt, Schwimmbrett senkrecht stellen) ist zudem für die Entwicklung der Kraftausdauer ein probates Mittel.

„Es kommt drauf an“, so müsste demzufolge die Antwort auf die Frage lauten, ob sich der Delfinkick für alle Schwimmer lohnen würde. Tatsächlich kommt es vor allem auf Ihre athletischen Fähigkeiten an, um aus ein bisschen mehr an Beinarbeit einen echten Tempoturbo zu machen.

——————
Von Holger Lüning

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert