Schneller schwimmen: Drücken ist besser als Ziehen
Impulse setzen, denn Schnell macht schnell!
Impulse setzen und Spuren hinterlassen. In diesen Worten steckt unmissverständlich: eine Aktion! Doch nicht nur im zwischenmenschlichen oder beruflichen Umgang kann das Platzieren von Impulsen zu Bewegung führen. Im Schwimmen ist der Impuls auf das Wasser das entscheidende Momentum, um sich zu beschleunigen.
Wie machen Sie das, wenn Sie einen Nagel in die Wand befördern möchten? Zugegeben, eine ziemlich banale Frage. Natürlich versuchen Sie, den Nagel mit möglichst schnellen und schwungvollen Bewegungen sowie einem kurzen Kontakt zwischen Hammer und Nagelkopf in die Wand einzuschlagen. Können Sie sich vorstellen, dass diese Bewegung bestens dokumentiert, wie schnelles Schwimmen funktioniert?
Härtegrad des Wasser selber steuern
Beim Schwimmen geht es um nichts anderes, als einen Impuls der Antriebsflächen auf das Wasser auszuüben. Und am besten kurz und schnell, denn das Wasser wird gefühlt härter je schneller und dynamischer Sie Druck gegen dieses verformbare Medium ausüben. Dass Wasser bei schnellerer Bewegung (also einem kurzen Impuls) „härter“ erscheint, liegt daran, dass die Widerstände quadratisch mit der Bewegungsgeschwindigkeit zunehmen.
Und genau dieser gefühlte Härtegrad (resultierend aus dem höheren Widerstand) des Wassers entscheidet, wie effektiv man sich abdrücken, also beschleunigen kann. Sie haben es also wortwörtlich selbst in der Hand. Und da taucht auch schon ein mögliches Problem auf. Wie findet man den passenden Zeitpunkt? Es macht ja auch keinen Sinn, wenn die Ausholbewegung mit dem Hammer bis zum Zielpunkt des Auftreffens auf den Nagelkopf hin abnimmt. Und doch passiert genau das gar nicht so selten im Hobbysportbereich, bei schwimmerischen Seiteneinsteigern aber auch bei erfahrenen Schwimmern.
Problem Wasserfassen
Ein Problembegriff in diesem Zusammenhang heißt, und da nehmen wir die Spitzenklasse der Schwimmer ausdrücklich aus, Wasserfassen. Nein, bitte nicht falsch verstehen! Natürlich hat das korrekte Wasserfassen, also der Einsatz der Hände mit dem Beginn der Zugphase, seine absolute Berechtigung. Dennoch wird dieser Begriff im Breitensport noch immer mit dem Merkmal gleichgesetzt: Wer das Wasserfassen nicht beherrscht, der ist nicht in der Lage, einen effektiven Unterwasserzug durchführen zu können. Oder anders: was du vorne verlierst, kannst du hinten nicht mehr gut machen. Eine grobe Fehleinschätzung mit teilweise sehr negativen Folgen für Zugmuster und -geschwindigkeit. Zur Erhärtung der Beweislage werden dann Unterwasser-Videos von Weltklasseschwimmern wie Grant Hackett oder Sun Yang mit extremer Anstellposition in der Zugphase in die bekannten Foren gepostet. Mit dem gut gemeinten Hinweis: bitte nachmachen!
Dabei könnte diese Empfehlung genau dazu führen, dass der Unterwasserzug tatsächlich ineffektiv wird. Die technische Präzision, die Spitzenschwimmer darbieten, ist vor allem das Ergebnis jahrelangen Trainings, tausender Kilometer im Wasser und etlicher Stunden im Kraftraum. Kann der Hobbyschwimmer also von sich erwarten, eine Technik zu imitieren, die ein Weltklassesportler durchführt? Klare Antwort: Nein. Und da kommen wir zurück zum Hammer.
Kraft dort investieren wo sie Wirkung erzeugt
Versuchen Sie einfach, Ihre Kräfte dort zu platzieren, wo sie Impulse erzeugen. Wenn ein Wasserfassen mit extrem hoher Ellenbogenführung aus Mangel an Kraft nicht realisiert werden kann, kommt es zu einem unter Technikanalytikern bekannten Szenario. Der Ellenbogen beginnt, die Hand nach hinten zu ziehen, womit ein kräftiger Abdruck in Richtung der Oberschenkel nicht mehr realisierbar ist. Das Ergebnis der Bemühungen: der Zug wird dort, wo er eigentlich an Geschwindigkeit zunehmen sollte, nämlich in der Druckphase, immer langsamer.
Genau dort also, wo der Hammer mit maximalem Tempo auf den Nagelkopf treffen sollte, wird er immer langsamer. Fatal ist, dass diese Bewegung dennoch anstrengend und mühsam ist. Bei fehlendem Tempo-„output“ resultiert daraus die persönliche Fragestellung: Was mache ich verkehrt? Schauen Sie sich deshalb das Timing Ihrer Impulse sehr genau an. Bringen Sie Ihre spezifischen Kraftfähigkeiten tatsächlich dort in´s, auf´s und gegen das Wasser, wo sie am besten wirken?
Druckphase bringt mehr als Zugphase
Betonen Sie die Phase des Wasserfassens deshalb nicht über. Denn eine Regel steht über allen anderen: das Drücken der Armhebel ist Unterwasser immer dynamischer als das Ziehen und erzeugt demzufolge auch mehr Geschwindigkeit. Zudem benötigt der Hebel eine gewisse „Anlaufgeschwindigkeit“, um seine Wirksamkeit zu erhöhen. Legen Sie deshalb den Fokus auf die korrekte Positionierung der Hebel in der Druckphase. Genau dann bringen Sie Ihre persönlichen Fähigkeiten am besten zur Geltung und können sich effektiv vom Wasser abdrücken. Oder anders gesagt: genauso wie Sie mit einem wuchtigen Schlag den Nagel beschleunigen und in der Wand versenken. Das Ergebnis eines gezielt eingesetzten Hebels.
Guten Tag Herr Lüning,
da es sich bei Wasser um kein Nicht-Newtonsche Fluid handelt ist es immer gleich flüssig, egal wieviel Kraft auf das Medium einwirkt. Wieso wird das Wasser dennoch härter je schneller und dynamischer man Druck ausübt?
Vielen Dank für die Erklärung
Freundliche Grüße
Manuel Scheurer
Hallo Herr Scheurer,
vielen Dank für den Kommentar. Da ich kein Physiker bin, empfehle ich den folgenden Link zum Thema „Druck“. Da der Druck (z.B. der Hand) immer auch eine veränderte Dichte des Mediums (Wasser) herbeiführt, kann diese Erklärung hilfreich sein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Druck_(Physik)
Viele Grüße
Holger Lüning
Das Druck die Dichte eine Mediums verändert gilt nur für kompromierbare Medien, z.B. Gase.
Flüssigkeiten sind nicht komprimierbar, daher bewirken Drücke (die man beim Schwimmen erzeugen kann) auch keine Änderung der Dichte des Wasser.
Das Wasser bei schnellerer Bewegung „härter“ erscheint liegt einfach daran das die Widerstände quadratisch mit der Bewegungsgeschwindigkeit zunehmen.
Vielen Dank, Frank. Ich habe den Part ergänzt!
Pingback: Schwimm-Technik: Tempo aus der Druckphase holen – DER AUSDAUERSPORT-EXPERTE
Der Artikel hat den Nagel gnadenlos auf den Kopf getroffen. Geiler Vergleich..
hallo,
wie kommst du eigentlich zu der Aussage „das Drücken der Armhebel ist Unterwasser immer dynamischer als das Ziehen und erzeugt demzufolge auch mehr Geschwindigkeit.“ ?
das hört sich nach einer unumstößlichen Gesetzmäßigkeit an, aber die würde ich auf dem ersten blick so nicht unterschreiben?
Hallo Gunnar,
sieht man sich die Bewegung Unterwasser an, so kommt die Druckbewegung immer aus einer Anlaufphase heraus. Das bedeutet, sie hat den Vorteil es Tempoaufbaus.
Ein zweites Argument liegt in der Hebelkraft der Muskulatur in den einzelnen Bewegungssegmenten. So erfolgt eine Streckung jeweils aus einer leichten Vordehnung der Muskulatur, da die entsprechende Sehne immer außen über das Gelenk zieht. Diese Vorspannung gibt es beim Ziehen in der Form nicht. Deshalb ergibt sich in der physikalischen Betrachtung jeweils eine deutlich bessere Ausgangsposition, die zu einem höheren Kraftimpuls führt. Das belegen auch zahlreiche Studien über die Effizienz der Unterwasserbewegung. Hier erreichen z.B. Schwimmer in der Druckphase die signifikant höchste Geschwindigkeit in der Vortriebsphase Unterwasser (Kraulschwimmen / Brustschwimmen hier ausgenommen).
Besonders das Momentum des Schwungs ist ein wesentliches Kriterium für die Leistung der Druckphase, weshalb ich das Beispiel mit dem Hammer gewählt habe.
Ich hoffe, das hat hilft, die Hintergründe etwas genauer zu erläutern.
Viele Grüße
Holger