Code geknackt: Zuglänge mal Zugfrequenz – so einfach ist es nicht.
Code geknackt: So geht schnelles Schwimmen
Die Grenzen mathematischer Formeln für das Schwimmen
Wie geht eigentlich schnelles Schwimmen? Man redet häufig über viele Feinheiten und Details, vergisst dabei aber gerne einmal, worum es im Kern der Sache geht. Der Code schnellen Schwimmens ist nämlich relativ einfach. Er lautet:
Frequenz x Zykluslänge = Geschwindigkeit
Doch was sich auf dem Papier oder in der Theorie einfach anhört, kann in der Praxis recht schwierig werden. Denn Schwimmen ist weit entfernt, per mathematischer Formel Sportlern die individuell optimale Technik vorzugeben. Zu stark hängt die Technik von den persönlichen Voraussetzungen, der Konfiguration des Körpers, ab. Und die ist wahrhaft komplex!
Viele Variablen in der Abstimmung
Schließlich geht es gleich um mehrere Komponenten, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Viel mehr noch – sie müssen ganz fein aufeinander abgestimmt werden, um dem Athleten zu seiner individuell besten Leistung zu befähigen.
Da ist zum einen die Frequenz. Damit umschreibt man die Bewegungszyklen pro Minute als Variable. In den Wechselschlag-Schwimmarten bedeutet es, dass pro Zyklus jeweils der linke und der rechte Arm die Bewegung komplett ausführt. Beim Delfin- und Brustschwimmen hingegen beschreibt ein Zyklus genau einen Armzug und den entsprechenden Beinschlag. Diese gemeinsame Einheit macht die Schwimmarten untereinander vergleichbar und gibt den Sportlern zugleich ein Gefühl für die eigene Bewegungsgeschwindigkeit. Nämlich dann, wenn ihr Trainer regelmäßig die Frequenz misst.
Frequenzmessung als Analyse-Tool
Ist die Frequenz übermäßig hoch oder niedrig, könnte das ein Hinweis auf eine unsaubere Technik sein. Da der Gegendruck des Wassers mit zunehmendem Druck der Hand- und Unterarmfläche zunimmt, bleibt die optimale Frequenz ab einem gewissen Niveau relativ konstant.
Fällt die Frequenz stark ab, so fehlt es dem Sportler wahrscheinlich an spezifischer Kraft. Ist die Frequenz hingegen sehr hoch, könnte der Schwimmer dem angebotenen Wasserdruck ausweichen und somit eine Antriebschance verpassen.
Gängige Frequenzen in der Weltklasse der Männer liegen in diesen Bereichen:
Strecke Name Zyklen/Minute
50m Freistil Peter Van den Hoogenband 60
100m Roland Schoeman 50
200m Ian Thorpe 42
400m Grant Hackett 40
1500m Grant Hackett 38
100m Brust Ed Moses 46
200m Brust Kosuke Kitajima 37
100m Rücken Aaron Peirsol 48
200m Rücken Markus Rogan 42
100m Schmett Michael Phelps 54
200m Schmett Michael Phelps 49
Die Zykluslänge als zweite Variable beschreibt den zurückgelegten Weg innerhalb eines Bewegungszyklus`. Je größer der Streckengewinn ist, desto effektiver und sauberer ist die Technik des Schwimmers.
Das Schwimmen mit möglichst wenigen Zügen erlaubt zwar ein Ertasten der optimalen Zykluslänge, ist jedoch kein Hinweis auf schnelles Schwimmen. Denn das ist nur dann möglich, wenn sich der Zyklusweg bei einer sich erhöhenden Frequenz nicht unverhältnismäßig verringert. Dann wäre nichts gewonnen.
Schlupf beim Schwimmen?
Das wäre vergleichbar mit einem durchdrehenden Autoreifen bei guten und schlechten Untergrund-Verhältnissen. Auf einem griffigen Untergrund und niedriger Drehzahl sichert man sich einen guten Zyklusweg. Fährt man hingegen auf Eis und der Reifen dreht durch, schwindet der Streckengewinn und die Frequenz (bei einem durchdrehender Reifen) spielt quasi keine Rolle mehr.
Tempo entwickelt sich folgerichtig aus einem Optimum aus Frequenz und Zyklusweg. Im Training ist das Herantasten an die individuell beste Frequenz deshalb ein wichtiger Inhalt. Um zu verhindern, dass der Sportler „am Wasser vorbei zieht“ aber auch um zu sichern, dass die Bewegung nicht zu langsam wird.
Tempovariationen schulen das motorische System genauso wie die Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln wie Paddles oder Kurzflossen. Auch hier gilt, dass die gut dosierte Variation im Training die Wahl der Mittel ist.
Lange einförmige Belastungen, die zu einem Einschleifen einer Bewegungsgeschwindigkeit führen, könnten im schlimmsten Falle damit enden, dass der Schwimmer nicht mehr in der Lage ist, aus dieser Bewegungsmonotonie herauszukommen. Dann spricht man von der sogenannten Geschwindigkeitsbarriere. Durchbrechen Sie diese Barriere deshalb immer wieder und fordern Sie sich im Training auf vielfältige Weise.
Das große „ja, aber“
Klingt das einfach und plausibel? Sicherlich kann man sich an mathematischen Formeln ein gutes Gesamtbild über die Zusammenhänge machen. Doch was folgt daraus? Die große Gefahr ist, dass man nur das sieht, was diese Formel hergibt. Folge? Entweder maximiere ich den Weg pro Zug oder ich erhöhe die Zugzahl. Doch das ist zu kurz gedacht, wenn es um die individuell optimale Technik geht.
So hat die Formel eine entscheidende Schwäche. Und das ist die Berücksichtigung individueller Faktoren. Denn die individuellen Möglichkeiten beeinflussen die Ausführung entscheidend. Wie steht es mit der Berücksichtigung z.B. folgender Faktoren?
- Größe
- Hand-/Fußgröße
- Beweglichkeit
- Kraft
- Schnelligkeit
- Hebelverhältnisse (z.B. Ape-Index)
- Muskelfaserstruktur
- u.v.m. – siehe auch Artikel „Der Blick in den Spiegel“
Würde man strikt nach der Formel agieren, so könnte es passieren, dass die Wahl individuell völlig falsch gewählt wird. Die Theorie der „langen Züge“ wird bei einer zierlichen Dame von 165cm Körpergröße natürlich scheitern! Oder würden Sie als Radfahrer versuchen, möglichst wenig Kurbelumdrehungen anzustreben? Oder haben Sie schon einmal einen Kanuten gesehen, der nach jedem zweiten Paddelzug einfach mal eine Weile gleitet? Natürlich nicht.
Aber genau das passiert, wenn wir uns ausschließlich nach mathematischen Formeln richten. Der Faktor Mensch kann nur individuell betrachtet werden. Eine Schablone über den Sportler zu legen, führt wahrscheinlich zum Scheitern. So führt der Weg an einer gründlichen Analyse und Ist-Zustands-Aufnahme nich vorbei, um darauf aufsetzend die Strategie für die individuell beste Technik zu finden.