Das Training der wichtigsten Rennphase – Methoden und Pläne
Warum das dritte Teilstück so wichtig ist
Wie sieht das bei den Besten der Welt aus?
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„Im dritten Viertel kommt es drauf an“, hört man Sportler immer wieder sagen. In den Endläufen der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro über 200 Meter Freistil ist dieses Phänomen gut zu beobachten.
Insgesamt neun der 16 Endlaufteilnehmer schwammen den dritten 50-Meter-Abschnitt am langsamsten. Einerseits scheint der Druck der Gegner in diesem Segment enorm hoch zu werden, andererseits muss man gegen die zunehmende eigene Ermüdung ankämpfen. Gelingt es, in diesen entscheidenden Momenten, locker und zuversichtlich zu bleiben, scheinen die Chancen gut zu stehen, ein individuell schnelles Rennen zu schwimmen. Doch natürlich gehört auch ein gezieltes Training dazu, um die benötigten Fähigkeiten zu entwickeln.
Die Statistik belegt die Vermutung
Für die übrigen sieben Finalschwimmer war die letzte Bahn die langsamste. Analoge Statistiken über die anderen Schwimmarten sowie die 400m- und 800m-Freistil-Rennen belegen die beschriebenen renntaktischen Manöver.
Männer
1 SUN Yang CHN 24.87 – 26.70 – 26.37 – 26.71
2 le CLOS Chad Guy Bertrand RSA 23.39 – 26.97 – 27.35 – 27.49
3 DWYER Conor USA 24.54 – 26.67 – 26.60 – 27.42
4 GUY James GBR 24.78 – 26.46 – 27.46 – 26.79
5 HAAS Townley USA 24.88 – 26.62 – 27.47 – 26.61
6 BIEDERMANN Paul GER 25.17 – 26.64 – 27.21 – 26.82
7 HAGINO Kosuke JPN 24.79 – 27.08 – 27.50 – 26.53
8 KRASNYKH Aleksandr RUS 24.79 – 26.94 – 26.85 – 27.33
Frauen
1 LEDECKY Katie USA 27.00 – 28.43 – 29.12 – 29.18
2 SJOSTROM Sarah SWE 26.84 – 29.02 – 29.09 – 29.13
3 McKEON Emma AUS 26.64 – 28.73 – 29.80 – 29.75
4 PELLEGRINI Federica ITA 27.09 – 29.36 – 29.39 – 29.34
5 SHEN Duo CHN 27.07 – 28.83 – 29.77 – 29.58
5 BARRATT Bronte AUS 27.35 – 29.05 – 29.62 – 29.23
7 COLEMAN Michelle SWE 26.82 – 29.33 – 29.80 – 30.32
8 BONNET Charlotte FRA 26.95 – 29.48 – 29.85 – 30.01
(gekennzeichnet der jeweils individuell langsamste 50m-Abschnitt)
Komplexe Situation
Doch die Wahrheit ist natürlich noch deutlich komplexer. Zwar kann die mentale Stärke die besten Voraussetzungen bieten. Ohne einen adäquaten physiologischen Leistungszustand lassen sich aber auch nur bedingt „Bäume ausreißen“. Insofern ist es dann doch schlussendlich eine Frage des sportlichen Trainings? Und wenn ja, wie bereitet man sich bestmöglich auf das entscheidende dritte Teilstück vor?
Auch wenn sich die Rennanalysen zwischen einem 200-Meter- und einem 800-Meter-Rennen naturgemäß unterscheiden, sind die Prinzipien doch sehr ähnlich. Neben dem psychologischen Aspekt, kann das Training im Wasser ziemlich exakt an die zu erwartenden Rennsituationen angepasst werden. Im Kern der Aufgabe geht es um die Verbesserung der Ermüdungsresistenz auf den neuralgischen Teilstücken. Im selben Atemzug kann ein Sportler über das systematische Training aber auch seine Zuversicht stärken, genau in diesem Segment persönliche Fortschritte erzielt zu haben. Der letztgenannte Punkt ist immens wichtig. Weiß man doch um die Einfluss der persönlichen Einstellung zur Sache besonders dann, wenn die Situation ein gefestigtes Selbstvertrauen erfordert. Körperliches und mentales Training gehen also immer Hand in Hand. Darüber müssen sich Trainer und Sportler stets im Klaren sein. Das Training der persönlichen Schwächen ist in Wirklichkeit ein Training der aufkommenden Stärke. Es ist eine Frage der Betrachtungsweise.
Die Methoden im Training
Im Beckentraining gibt es unterschiedliche Methoden, um kritische Rennabschnitte mit Akzenten zu versehen und eine gezielte Leistungsverbesserung anzusteuern. Beispielhaft für einen 200-Meter-Schwimmer, aber vom Grundprinzip für Schwimmer aller Distanzen gültig, bieten sich die folgenden Methoden und Serien an.
- Gebrochenes Schwimmen
Brechen Sie die Wettkampfstrecken in Einzelsegmente auf und akzentuieren Sie die Abschnitte, die Sie gezielt trainieren möchten.
100m + 50m +50m
Pause: 10 Sekunden
Aufgabe: der dritte 50m-Abschnitt soll der schnellste sein!
Alternativ dazu:
50m + 50m + 50m + 50m, Pause: 10 Sekunden
50m + 100m + 50m, Pause: 10 Sekunden
- Overdistance-Training
Verlängern Sie die originale Wettkampfstrecke, um die Ermüdungsresistenz zu schulen und damit sowohl das Schwimmen auf der zweiten Rennhälfte wie auch den Schlussspurt zu verbessern.
4 x 250m
200m + 5 Sekunden Pause + 25m Schlussspurt-Simulation + 25m locker schwimmen, Pause: 90-120 Sekunden
- Gesteigerte Serien
Das Tempo aufrechterhalten zu können, ist die Grundvoraussetzung für ein optimales Rennen auf der zweiten Hälfte. Schulen Sie das Gefühl für Temposteigerungen ebenso wie die Beibehaltung einer guten Technik bei zunehmender Ermüdung. Gesteigerte Serien bieten dazu viele Variationsmöglichkeiten.
4x100m
Steigern, d.h. die Zeiten vom 1.-4. verbessern (Temposteigerung), auch in anderen Formen möglich wie:
8x100m
1.-4. und 5.-8. steigern, d.h. wie oben, dabei den fünften 100-Meter-Intervall wieder auf dem Niveau des ersten 100-Meter-Intervalls schwimmen und wiederum steigern
4x200m
„Negative Split“, d.h. die zweite Hälfte deutlich schneller schwimmen als die ersten 100 Meter
Die genannten Trainingsmethoden können Sie als 100-Meter-Schwimmer genauso wie als Langestreckenschwimmer adaptieren und mit den passenden Streckenlängen versehen. Schon nach wenigen Tagen werden Sie zweierlei Dinge bemerken. Sie werden deutlich sicherer mit den Tempovariationen umgehen können und folgerichtig das taktische Vermögen signifikant verbessern. Mindestens genauso wichtig: Sie werden spüren, wie Sie neue Leistungspotenziale für sich eröffnen und damit noch mehr Selbstbewusstsein in den Wettkampf mit hinein nehmen. Und zu guter Letzt mündet das alles in dem befriedigenden Gefühl, noch mehr Freude an der eigenen Leistungsfähigkeit zu haben.
Der Trainingsplan zum Thema
Von Holger Lüning