Wissenschaft

Studie: Regenerationszeiten nach Rennen verschiedener Länge

Wie lange muss die Pause sein?

Als Vielstarter im Wettkampf optimal handeln

Schwimmwettkämpfe sind kaum vergleichbar mit Wettkämpfen in der Leichtathletik, dem Rudern, dem Skilanglauf oder anderen Ausdauerdisziplinen. In den meisten Fällen nutzt man als Schwimmer die Gelegenheit, bei einem Event gleich über mehrere und unterschiedliche Strecken zu starten. Kommen noch Vor-, Zwischen- und Endläufe hinzu, kann das Programm schon recht gewaltig sein.

So hatte Michael Phelps bei seinen 8 errungenen Goldmedaillen in Peking 2008 natürlich nicht nur 8 Endläufe zu schwimmen. Mit allen Vorläufen und Halbfinals kamen gut 20 Starts auf Weltklasseniveau zusammen. Das ist man gut beraten, eine effektive und wirksame Erholungsstrategie einzusetzen, die sich bewährt und automatisiert hat.

Egal wie häufig man selber an den Start geht. Eine effektive Strategie sollte immer dazu gehören, wenn man jedes Mal auf bestem Niveau agieren möchte. Mit dieser Fragestellung haben sich die Autoren der folgenden Studie beschäftigt, die wir hier zusammenfassen.

Titel der Studie:

Recovery Time Profiling After Short-, Middle- and Long-Distance Swimming Performance.

Autoren: Piras, Cortesi & weitere

Erschienen: Journal Strength Conditioning Res 33(5): 1408-1415, 2019

Inhalt

Wir untersuchten kardiale autonome Reaktionen und hämodynamischen Parameter auf die Erholungszeit nach Kurz-, Mittel- und Langschwimmleistung.

Methode

Zehn männliche Schwimmer auf regionaler Ebene wurden getestet, um Zeit- und Frequenzbereiche der arteriellen Baroreflexempfindlichkeit (BRS – Anmerkung: der Baroreflex ist ein Mechanismus, der den Blutdruck aufrechterhält und stabilisiert) und der Herzfrequenzvariabilität (HRV) nach 100, 200 und 400 m Freistilschwimmen abzuschätzen.

Ergebnisse

Wir fanden eine BRS-Reduktion für 90 Minuten nach einem maximalen 100- und 200-m-Freistil-Rennen, während der Reflex ungefähr 70 Minuten nach 400 m wieder auf den Grundlinienwert zurückgesetzt wurde.

Die vagal (den Nervus Vagus betreffend) vermittelte Hochfrequenzleistung war 30 Minuten nach 400 m und mehr als 90 Minuten nach 100 und 200 m signifikant, wobei gleichzeitig die sympathische Modulation zunahm.

Nach 400 m haben die Athleten ihr Schlagvolumen für 50 Minuten reduziert, das nach 100 und 200 m auf dem Ausgangsniveau blieb. Die Herzfrequenz wurde nach 90 Minuten unter allen Bedingungen wiederhergestellt, während der gesamte periphere Gefäßwiderstand nach 200 und 400 m für 50 Minuten signifikant verringert war, mit einer anhaltenden Verringerung nach 100 m.

Der zeitliche Verlauf der autonomen Erholung nach 3 verschiedenen Schwimmleistungen wird durch die Intensität und Dauer des Cool-Downs (Ausschwimmen) beeinflusst. Er zeigt eine schnelle Erholung nach 400 m, eine mittlere Erholung nach 200 m und eine deutlich verzögerte Erholung nach einer intensiven anaeroben Leistung wie dem 100-m-Freistilschwimmen.

Fazit der Autoren

Diese Ergebnisse könnten Trainer dazu ermutigen, zu berücksichtigen, dass der Athlet möglicherweise von der spezifischen Erholungszeit der zuvor durchgeführten Übung betroffen ist, was darauf hindeutet, dass das Management der Trainingsintensität und eine angemessene Überwachung der autonomen Herzparameter hilfreich sein könnten, um die körperliche Verfassung jedes Athleten zu steuern.

Unsere Anmerkung

Die Belastung eines Rennens hat einen messbaren Einfluss auf das zentrale Nervensystem. Dies zeigt die Analyse der Herzfrequenz-Variabilität (HRV), die in dieser Studie gemessen wurde. Besonders die HRV soll eine zuverlässige Möglichkeit darstellen, das Erholungslevel zu messen. Hier ist erkennbar, dass der Stress auf das Nervensystem einem 100m-Rennen größer ist als bei einem 400m-Rennen.

Deshalb ist es durchaus ratsam, die HRV-Werte in allen Trainingsphasen zu ermitteln (z.B. durch ein Monitoring während des Schlafs), um einen Überblick der individuellen Werte eines Sportlers zu ermitteln. So kann das Stresslevel während eines Wettkampf gut ermittelt und bewertet werden. Dies ermöglicht, sowohl in Trainings- und Wettkampfphasen und auch während eines Wettkampf-Wochenendes individuelle Strategien für die bestmögliche Regeneration zu entwickeln.

Denn auch hier gilt es, die Individualität eines jeden Sportlers zu berücksichtigen. Während sich der eine Sportler bei einer Massage bestens entspannen kann, hört der andere lieber Musik, während ein Dritter womöglich lieber einen Spaziergang unternimmt.

Wettkampf-Simulationen im Training (z.B. Vorlauf- & Endlauf-Simulation) können wichtige und hilfreiche Informationen zu diesen individuellen Auswirkungen offenbaren und sollten deshalb regelmäßig Inhalt der Trainingsplanung sein. Strategisch gut platzierte Wettkämpfe mit bewusst hohem Stresslevel (häufige Starts auch in den Nebenlagen) sind sogar noch höher zu bewerten, da sie den Renncharakter noch besser simulieren können.

Demzufolge gilt: Mut entwickeln, auch in Phasen intensiven Trainings, Trainingswettkämpfe zu bestreiten – auch wenn absehbar ist, dass die Leistungen nicht im Bereich des persönlichen Optimums liegen können! Die Gewinnung persönlicher Daten sollte in solchen Phasen das Hauptaugenmerk darstellen, um die Leistung bei den wichtigsten Events noch besser steuern zu können.

(von Holger Lüning)

Soll aktive Regeneration im Kopf beginnen? Das Video zum Thema: