Training & Wettkampf

Nr. 1-5: Mythen und Notwendigkeiten im Schwimmsport

Mythen und Lagerfeuergeschichten des Schwimmsports

Teil 1: Fachsimpeln und Erfahrungen austauschen.

Das Gespräch unter Gleichgesinnten bringt immer wieder interessante Weisheiten hervor. Dürfen wir ein wenig mitreden?

Sind Sie eher in der griechischen Mythologie zuhause oder in einem spannenden Western? Eigentlich spielt weder Zeit noch Genre eine Rolle, denn die Inhalte der Kommunikation sind immer noch ähnlich. Ob es nun die Mythen oder die guten alten Lagerfeuergeschichten sind – immer handelt es sich um Überlieferungen, Geschichten und Erfahrungen, die gerne einen Anspruch auf die Geltung der von ihnen behaupteten Wahrheit erheben. Das trifft auf Lebensweisheiten ebenso zu wie den ein oder anderen „Schwimm-Mythos“. Und weil es davon eine ganze Menge gibt, haben wir zehn Stück davon eingesammelt.

  1. Der Dreierzug ist die beste Wahl

Das Atmen auf jeden dritten Kraularmzug wird seit Generationen empfohlen. Durch das Atmen auf beide Seiten soll die Stabilität der Wasserlage gesichert werden und möglichen Dysbalancen Vorschub geleistet werden. Haben Sie sich auch schon durch die unterschiedlichen Übungsreihen gekämpft? Dann haben Sie vielleicht gemerkt, dass es eigentlich immer eine bessere Atemseite gibt und wahrscheinlich auch weiterhin geben wird.

Die wichtigste Frage bleibt bis dahin aber unbeantwortet: was bringt der Dreierzug?

Tatsächlich bringt der Dreierzug eine gewisse Gleichmäßigkeit in die Bewegung, ein ganz großes “aber“ bleibt jedoch bestehen. So ist die Atempause zwischen drei Kraularmzügen für eine hohe Leistungsabgabe zu lang. Schwimmen Sie beispielsweise eine harte Intervallserie im Training im Dreierzug, so dürfen Sie davon ausgehen, dass Sie Ihr Tempovermögen nicht zu 100% ausgereizt haben. Gleiches gilt natürlich für den Wettkampf. Sieht man von der Sondersituation über 50 Meter ab, so sehen Sie bei den Topsportlern von 100 bis 1.500 Meter fast ausnahmslos den Zweierzug, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Die hohe Intensität erfordert häufige Atemvorgänge. Nur der Zweierzug kann diese Forderung erfüllen.

Link zum weiterführenden Artikel „Dreierzug keine Wettkampftechnik!?“ > KLICK

  1. Je mehr Technische Übungen umso besser

Dass Schwimmen eine technische Sportart ist, hört und liest man immer wieder. Das ist korrekt, doch welche Sportart ist das nicht?

Dennoch erfreuen sich die sogenannten Technischen Übungen (TÜ) größter Beliebtheit. Mitunter scheint es, als würde die Komplexität der Übungen immer mehr zunehmen, um dem Sportler zu suggerieren, dass er mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad seine Technik auch immer weiter verfeinere. Doch sollte vor der unkritischen Durchführung immer die Frage stehen, welche Aspekte denn tatsächlich auch für die angestrebte Wettkampftechnik relevant sind.

Oft sind die TÜ so verschachtelt und kompliziert, dass ein Transfer in hohe Geschwindigkeiten gar nicht möglich ist. Das viel beschriebene Wassergefühl erreichen Sie vor allem durch Training, und zwar umfangreiches Wassertraining. Setzen Sie also hinsichtlich einer angestrebten Technikverbesserung nicht ausschließlich auf technische Übungen, sondern auch auf Tempoarbeit und andere Aspekte.

Denn der Automatismus „je mehr Techniktraining desto besser die Technik“ ist nicht immer gegeben.

Weiterer Artikel „Sind Technikübungen Zeitverschwendung?“ > KLICK

  1. Ein kurzes Ausschwimmen genügt vollkommen

Eine Trainingseinheit besteht im Groben aus drei Teilen. Der Vorbereitung, dem Einschwimmen, dem darauf folgenden Hauptteil und dem abschließenden Ausschwimmen.

Vielleicht kennen Sie das? Wenn der Hauptteil erst einmal absolviert ist, die körperlichen und mentalen Reserven mehr oder weniger aufgebraucht sind, wird das Ausschwimmen schnell zu einer lästigen Pflicht.

Dabei ist die Nachbereitung, das Cool-Down, wichtig, um die Stoffwechselprozesse sukzessive herunterzufahren. Wenn das Blut weiterhin zirkuliert, kann es metabolische Endprodukte besser abtransportieren und den Leistungsmuskel ein wenig entschlacken. So gesehen ist das Ausschwimmen die direkte Vorbereitung auf die nächste Trainingseinheit. Ergänzend kann hinzugefügt werden: je anstrengender und intensiver das Training war, umso wichtiger ist ein langes, entspanntes Ausschwimmen. Da dürfen es schon einmal 400 Meter lockeres Herumpaddeln sein.

Beenden Sie hingegen ein ohnehin schon mäßig intensives Grundlagentraining, darf der letzte Part ruhig etwas kürzer sein.

  1. Wer schwimmt der wächst

Ob Sie es glauben oder nicht. In den 60er- und 70er-Jahren herrschte mitunter die Meinung vor, man solle Kinder zum Schwimmen schicken, damit ihr Wachstum unterstützt würde. Welcher Gedanke mag hinter dieser Empfehlung gesteckt haben?

Tatsächlich sah man bei den Topschwimmern immer deutlich größere Körperstaturen. Der kausale Zusammenhang, der daraus geschlossen wurde, wirkt aus heutiger Sicht belustigend: wer schwimmt wird größer. Die damalige Erklärung schien schlüssig. Durch das regelmäßige Strecken der Arme und des Köpers würde das Wachstum angeregt. Dahinter steckt ein Missverständnis, welches bei Beobachtungen anderer Art jedoch noch immer anzutreffen ist.

Was ist die Ursache und Wirkung?

Diese Frage gilt es zu beantworten. Im vorliegenden Falle, ist die genetisch vorgegebene Körperstatur für schnelles Schwimmen bevorteilt, die eine überdurchschnittliche Länge, breite Schultern und ein schmales Becken aufweist. Es ist also nicht das Schwimmen, das die Länge produziert. Es ist die körperliche Voraussetzung, die mitzubringen ist, wenn es einmal für Topleistungen reichen soll. Ein ganz anderes Wachstum gibt es im Schwimmsport aber dennoch immer: Ausdauer, Disziplin und Fleiß gibt es für jede Statur.

  1. Körperrasur bringt nix!

Runter mit dem Pelz, so heißt es schon seit vielen Jahrzehnten im Schwimmsport, wenn es zu den ganz wichtigen Wettkämpfen geht. Ist das nun Aberglaube oder stecken physiologische Fakten hinter einer besseren Leistung mit rasierter Körperhaut.

Zahlreiche Studien bestätigen sowohl die verbesserte Muskelreizung und –aktivierung, wie auch etwas verbesserte Widerstandswerte und hohe motivationale Aspekte. Sicherlich handelt es sich um eine Kombination aus allen Aspekten. Und so weiß jeder, der es schon einmal getan hat: dieses besondere Wassergefühl zu erleben, ist allein die Mühe schon wert!

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Von Holger Lüning

Titelfoto: Michael Lapp von www.snap-pix.de