Ironman Hawaii: Wie schnell muss man als Weltmeister schwimmen können?
Ironman Hawaii: Warum schwimmen die nur einen 1.18er-Schnitt?
Die Schwimmperformance beim Ironman Hawaii
Die Weltmeisterschaften über die Ironman-Distanz endeten am vergangenen Wochenende. Patrick Lange war nach 7.52.39 Stunden der erste Athlet, der die Ziellinie am Pier von Kailua-Kona (Hawaii) in weniger als acht Stunden nach dem Startschuss passierte und damit Weltmeister wurde. Triathlon ist zwar ein Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen, aber dennoch interessiert es uns doch: wie schnell schwimmen die besten Langdistanz-Triathleten der Welt eigentlich?
3.86 Kilometer beträgt die Länge der Schwimmstrecke im pazifischen Ozean, die traditionell den Auftakt für einen langen Tag bildet. Weltmeister Patrick Lange entstieg nach 50:37 Minuten dem offenen Gewässer und schwamm damit einen Schnitt von 1:18,6 Minuten für jeden 100er. Schaut man sich die Schwimmsplits der Sportler an (denn Schwimmen ist ja nur ein Teil des Ganzen), so sieht man die besten jemals geschwommenen Zeiten bei 46 Minuten.
Schwimmexperten rechnen diese 46er-Zeit schnell im Kopf um und stellen fest: das ist ein 100-Meter-Schnitt von ca. 1.12 Minuten. Ein Schnitt, der einem 1.500-Meter-Wettkampf von 18.00 Minuten entspricht. Dieser für Schwimmspezialisten eher durchwachsene Schnitt hat aber vielleicht auch seinen Grund. Schaut man sich die Charakteristik dieses speziellen Rennens nämlich einmal genauer an, versteht man, weshalb Triathleten vielleicht gar nicht schneller schwimmen wollen (obwohl sie könnten).
Auf Hawaii herrschen besondere Bedingungen vor. In manchen Jahren ist der Wellengang ein wenig höher als in anderen Jahren und auch die Strömung hat immer wieder ihre eigenen Gesetze. Und die heißen nicht immer: „kommt Wellen, lasst uns die Schwimmer an das Ufer schieben.“ Somit ist der Rückweg gegen die Strömung mitunter beschwerlicher als das ohnehin schon mühsame Schwimmen in das offene Meer auf dem Hinweg. Das macht das Schwimmen auf Hawaii oftmals unberechenbar. In diesem Jahr schienen die Bedingungen aber glücklicherweise eher dezent zu sein.
Vielmehr noch aber hat die enorme Länge des Rennens ihre Auswirkungen auf die Taktik der Teilnehmer. Ganz gleich, ob Weltklasseathleten wie Olympiasieger Jan Frodeno oder ambitionierter Hobbytriathlet – sie alle wissen, dass in den folgenden sieben bis zu 15 Stunden eine ganze Menge passieren kann und wird. Deshalb ist es nur verständlich, im Wasser ein wenig die Handbremse einzulegen. Besonders im Spitzenbereich ist die Leistungsfähigkeit nämlich durchaus vorhanden, um ein flotteres Schwimmtempo vorzulegen.
Ein Blick in Swimrankings (Link) zeigt z.B., dass der Ex-Weltmeister auf der Olympischen und Mitteldistanz, Javier Gomez aus Spanien, mit einer 1.500-Meter-Bestzeit von 15.42,45 Min. (Schnitt 1:02,8 Min/100m) und 3:56,28 Min. über 400m Freistil auf der Kurzbahn ein mehr als ordentliches Schwimmniveau aufweisen kann. Er entstieg dem Pazifik am Samstag mit der Spitzengruppe nach einer Zeit von 47.46 Minuten. Zwischenziel damit erreicht, mehr als ein 1.15er-Schnitt war dafür nicht nötig.
Vorschnelle Urteile über die schwimmerische Stärke, insbesondere der Langdistanz-Athleten, sollten deshalb gut überlegt sein. Vor allem auch eingedenk der Tatsache, dass auf der 180 Kilometer langen Radstrecke mit einem 42er-Schnitt gefahren und der Marathon mit einem Km-Schnitt von unter 4 Minuten absolviert wurde. Diese Leistungen sind in der Gesamtbetrachtung Weltklasse, genauso wie eine 1.500m-Leistung von unter 15 Minuten eines Schwimmspezialisten. Deshalb kann es keine Wertung geben. Der beste Athlet ist derjenige, der die kürzeste Zeit vom Start bis ins Ziel benötigt. Und dafür gibt es viele individuelle Taktiken und Strategien. Wenn auch konstatiert werden muss, dass es nicht schadet, dass Rennen von Beginn an im Griff zu haben und agieren statt reagieren zu können / müssen. Das bedeutet vielleicht auch, als Profi gerade nur so schnell zu schwimmen wie es nötig und taktisch klug ist.
Auch Olympiasieger Alistair Brownlee wurde beispielsweise bei einem Trainingslager gesichtet, als er die 10×100-Meter-Serie mit Abgang alle 1.30 auf der kurzen Bahn in einem 1.03er-Schnitt herunter bügelte. 1.500m-Zeiten um 16 Minuten sind demzufolge sicherlich keine Seltenheit bei den Spitzenathleten. Besonders auf der kurzen Triathlondistanz, der sogenannten Olympischen Distanz, besitzt das 1.500 Meter lange Schwimmen eine bedeutende Rolle, da die erste Disziplin darüber entscheidet, ob man in der vorderen Radgruppe mitfährt und dort den Windschatten der anderen Athleten nutzen kann oder nicht.
Bei längeren Triathlondistanzen hingegen, in denen das Windschattenfahren untersagt ist, spielt vielmehr das ausgewogene Gesamtpaket eine Rolle, als die Fähigkeit, kurzzeitige taktische Manöver gestalten oder mitgehen zu können.
Der Gesamtkontext eines langen Rennens, in diesem Fall dem längsten Ein-Tages-Wettbewerb der Welt, bestimmt folgerichtig die Auftaktdisziplin. Und so kann man auch mit einem 1.18er-Schnitt im Wasser am Ende der schnellste Langdistanz-Triathlet der Welt sein. Und kein noch so schneller Schwimmer unter den Triathleten konnte dieser Performance etwas entgegensetzen. Herzlichen Glückwunsch an Weltmeister Patrick Lange!
Tolle Statistiken zum Rennen und den Vergleich zu den Vorjahren findest du hier > KLICK
Und hier noch ein Rückblick von Ironman-Legende Dave Scott zum Thema: