Training & WettkampfWissenschaft

Beinarbeit: Nur 4% Anteil am Gesamttempo? Dennoch trainieren?

Beinarbeit: Nur 4% Anteil am Gesamttempo?

Die Frage steht häufig im Raum. Wie hoch ist der Anteil der Beinarbeit am Gesamttempo? Australische Wissenschaftler haben mittels einer Testreihe versucht, dieser Frage auf den Grund zu gehen

Die Beinarbeit im Kraulschwimmen wird gerne mal als weniger wichtig angesehen. Schließlich ist der Beitrag zur Entwicklung der Gesamtgeschwindigkeit deutlich niedriger als jener der Armarbeit. Soviel ist bekannt. Hinzu kommt, dass der Energieaufwand durch die großen Muskelgruppen an den unteren Extremitäten sehr hoch ist. Hoher Aufwand für wenig Ertrag? Eine Forschergruppe aus Queensland/Australien berichtet 2016 im International Journal of Sports Physiology and Performance über ihre Untersuchung, die genaueren Aufschluss geben sollte.

Australische Studie

Gemessen wurde die Geschwindigkeit, die notwendige Sauerstoffaufnahme und die Arbeit des Stoffwechsels, die für die Leistungserbringung von Armen und Beinen aufgebracht werden mussten. Dabei schwammen erfahrene Athleten aus dem Elitebereich einen 200-Meter-Test in insgesamt sechs Durchgängen. Zweimal wurde die Strecke in ganzer Lage geschwommen, zweimal ausschließlich mit Arm- und ebenfalls zweimal ausschließlich mit Beinarbeit. Mittels einer Tempovorgabe in Form einer Lichtleiste, die am Beckenboden befestigt war, wurde die Intensität auf 65% (+/- 3%) und 78% (+/- 3%) der jeweils individuellen 200m-Freistil-Bestleistung festgelegt. Die gefühlte Intensität entsprach somit dem Bereich „niedrig“ und „moderat“.

Die Schlagrate bei den Versuchen in isolierter Arm- bzw. Beinarbeit entsprachen den zuvor bei den beiden in ganzer Lage geschwommen 200-Meter-Distanzen ermittelten Werten der jeweiligen Intensitätsstufen.

Tatsächlich nur 4%

Das Ergebnis? Der Geschwindigkeitsbeitrag der oberen Gliedmaßen war erwartungsgemäß jeweils weitaus größer. So wurden bei Intensität „niedrig“ ca. 64% und bei Intensität „moderat“ ca. 60% anteiliger Beitrag der Armarbeit am Gesamttempo gemessen. Im Falle der unteren Extremitäten lag der Anteil bei jeweils ca. 4-5%. Der metabolische Aufwand lag bei der Armarbeit bei ca. 55%, jener der Beinarbeit bei 56%. Es scheint, als würde der geringe Tempobeitrag der Beintätigkeit energetisch betrachtet teuer erkauft.

Somit konnten die australischen Wissenschaftler der University von Queensland aufzeigen, dass der Energieaufwand der Beinarbeit überproportional hoch im Vergleich zum Tempobeitrag ist. Folgerichtig spielt die Beinarbeit zwar eine untergeordnete Rolle hinsichtlich der Tempoentwicklung. Jedoch ist die Beinarbeit neben der Entwicklung der Geschwindigkeit noch für einen weiteren wesentlichen Punkt mitverantwortlich, der eher sekundär das Tempo unterstützt.

Doppelfunktion der Beinarbeit

So ist die Position der Wasserlage erheblich von der Qualität der Beinarbeit abhängig. Aus diesen Ergebnissen zu schließen, dass das Training der Beinarbeit und auch der hohe Einsatz in einem Rennen unverhältnismäßig erscheinen, muss also entschieden entgegen getreten werden. Stabilisieren Sie die Wasserlage mittels einer guten Technik der Beinarbeit, so steigt die Effizienz der Armarbeit. Nämlich insofern als dass der gegebene Aufwand dank der niedrigeren Wasserwiderstände noch effizienter in Tempo umgewandelt werden kann. Oder einfach gesprochen: mit minderwertiger Beinarbeit könnte die Wasserlage derart strömungsungünstig und minderwertig werden, dass selbst die beste Armarbeit nichts mehr nutzt. Trotz der Ergebnisse gilt also: Vergessen Sie das Kicken also nicht!

Weiterführende Artikel (klick!):

>>> Warum die Beinarbeit so wichtig ist

>>> Beinarbeit – Propeller oder Anker?


Von Holger Lüning

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