Trainingseinheit: Leistungssteigerung – Beinarbeit integrieren!
Weshalb die Beinarbeit wichtig ist
Die Detailplanung im kleinsten Puzzleteil der Trainingsplanung
Dies ist der zweite Teil zum Thema Trainingsplanung und weshalb die Trainingseinheit das kleinste Teil einer komplexen Trainingsplanung ist. Teil 1 noch nicht gelesen? Dann hier entlang, mit nur einem Klick!
Kurz-, mittel- und langfristig planen
Räumen Sie den Strukturen die Zeit ein, die sie benötigen, um die Umbauarbeiten in Ruhe durchführen zu können. Stören Sie diesen Umbau, sprich die Regeneration, kommt es zu einem weiteren, temporären Leistungsabfall. In diesem Fall spricht man von dem Prinzip des Overreaching. Es handelt sich dabei um ein erwünschtes Phänomen der Ermüdung. Erkennen Sie aber, dass sich keine Erholung mehr einstellt, Sie oder Ihre Sportler dauerhaft an Leistung einbüßen, könnten Sie sich am Rande eines Übertrainings befinden. Behalten Sie die Reaktionen deshalb gut im Auge, im besten Falle mittels einer Dokumentation, um rechtzeitig Kursänderungen in der Trainingsplanung vorzunehmen.
Sprung aufs nächste Level
Ist dies alles gelungen, erwartet Sie der Sprung auf das nächste Leistungslevel. Werden Sie nicht unruhig, wenn dieser Sprung auch einmal auf sich warten lässt. Jedes Training wird seine Wirkung hinterlassen. In der Trainingswissenschaft haben sich Anpassungszeiträume von bis zu vier bis sechs Wochen als realistisch erwiesen. Dies gilt besonders dann, wenn der Organismus damit beschäftigt ist, Umbaumaßnahmen vorzunehmen, z.B. bei einem Muskelaufbau, der Kapillarisierung und anderen morphologischen Anpassungen.
Schonen Sie die spezifischen Strukturen deshalb nach einer intensiven Trainingsphase oder ändern Sie das Beanspruchungsschema. Achten Sie ganz besonders darauf, dass die lockeren und regenerativen Anteile des Trainings ebenfalls als ein wichtiger Pfeiler der Leistungsentwicklung betrachten werden. Nicht selten erlebt man, ganz besonders bei den Seiteneinsteigern, dass lockeres Schwimmen eher als „Füllmaterial“ betrachtet werden.
Kurzerhand werden Sie im Grundlagenausdauerbereich absolviert, um zügig in die nächste Intervallserie gehen zu können. Da kann es schon mal passieren, dass der motivierte Seiteneinsteiger die lockeren Trainingsanteile schneller schwimmt als der Spitzenathlet auf der Nebenbahn. Siehe auch der Artikel „Pausenweltmeister“ > KLICK. Jedoch: nur das konsequent durchgeführte lockere Schwimmen befähigt den Sportler dazu, im Anschluss wieder auf einem sehr hohen und vor allem konzentrierten Niveau in den nächsten Trainingsabschnitt zu gehen. Lockeres Schwimmen kann gar nicht locker genug sein!
Training der Beinarbeit – nur ein Detail?
So einfach ist es also mitunter doch nicht, wie dieses Beispiel zeigt. Und es kommt ein weiteres Beispiel hinzu, welches dokumentiert, wie hoch die Bedeutung der gezielten Trainingsplanung einzuschätzen ist. Fragen Sie sich doch in diesem Moment einmal, wie es um das Training der Beinarbeit in Ihrem Training aussieht? In den meisten Fällen wird diesem sehr spezifischen Training zu wenig Relevanz im Zusammenhang mit seinem Beitrag zur Erhöhung der Gesamtschwimmleistung beigemessen. Dann liest man gerne Artikel, die der Beinarbeit gerade einmal fünf Prozent Anteil am Gesamttempo zuschreiben. Die Aussage ist schon korrekt, doch ist daraus auch abzuleiten, dieses Training völlig zu eliminieren?
Der Kick durch den Kick
Blicken wir einmal in die Struktur der Beinarbeit hinein, so lässt sich vor allem feststellen, welchem Aspekt die Leistungssteigerungen in den vergangenen Jahren im Spitzenbereich zu verdanken ist. Die Delfinkicks nach Start und Wende haben nicht nur dem Delfinschwimmen mehr Dynamik verliehen. Auch das Rücken- und Kraulschwimmen haben von dieser Neuentdeckung profitiert. Und sieht man einmal genau hin, so hat die modifizierte Wendenregel beim Brustschwimmen ebenfalls einen Tempogewinn durch den Delfinkick erwirkt. Wer heutzutage nicht gut kickt, der liegt im Hintertreffen!
Informationen und Anregungen auch in Tipp 73 > KLICK. Hier das Video zum Tipp!
Nur ist es nicht damit getan, einfach nur ein paar Kicks nach Start und Wende durchzuführen und darauf zu hoffen, dass es schon helfen wird. Auch hier gilt die Regel: es bringt dir nur etwas, wenn du es auch gut beherrschst. Und die Beinarbeit benötigt, um wirkungsvoll zu sein, ein sehr spezifisches Training. Wird dies nicht beachtet, entsteht das, was man im Mastersbereich sehr häufig beobachten kann. Da wird zwar die Kicktechnik übernommen, nur leider fehlen für einen Tempogewinn die notwendigen athletischen Voraussetzungen. Der Einsatz einer neuen Technik muss, schlicht und ergreifend, auch gelernt sein.
Studie: Tempo steigt, Energiebedarf aber auch
Der Typus Spitzenschwimmer hat sich im vergangenen Jahrzehnt deutlich verändert. Allein die sichtbare Athletik der Sportler hat signifikant zugenommen. Eine Untersuchung der Technischen Universität München unter der Leitung von C. Hoffmann und M. Lames aus dem Jahr 2017 beschreibt einen Vergleich der Leistungsdiagnostiken der deutschen Schwimmnationalmannschaft über die vergangenen drei Jahrzehnte. Das Ergebnis dokumentiert das deutlich gestiegene Schwimmtempo innerhalb dieser Periode anhand eines standardisierten Stufentests. Die Feststellung: seit den Achtzigerjahren ist das Tempo gestiegen, jedoch auch der Energieaufwand.
Daraus kann man schließen, dass die Sportler den höheren Energieaufwand wahrscheinlich einer größeren Muskelmasse zuschreiben können. Einfach formuliert: der Motor ist größer geworden, hat dadurch deutlich mehr Leistung und verbraucht demzufolge auch mehr Benzin.
Energieverbrauch gezielt trainieren
Und hier sind wir wieder bei der Beinarbeit angelangt, die ja ihrerseits aufgrund der großen aktiven Muskelmasse an den Oberschenkeln, sehr viel Energie verbrauchen. Doch die Beinarbeit trägt nicht nur einen Teil zur Erzielung eines höheren Schwimmtempos bei. Ein zweiter, wahrscheinlich mindestens genauso wichtiger Aspekt, ist die Erzeugung einer guten, sprich strömungsgünstigen Wasserlage.
Womöglich liegt hier viel mehr Potenzial für Schwimmer jeder Alters- und Leistungsklasse als zunächst angenommen. Fällt die Wasserlage wegen eines mäßig guten Beinschlags ab, so erhöhen sich die Widerstandswerte dramatisch. Dieses Manko auszugleichen würde bedeuten, ein noch höheres Tempo über die Arme zu erzeugen. Sind Sie ohnehin schon ermüdet, könnte das ein Anspruch sein, dem Sie nicht mehr gerecht werden könnten. Befinden sich die Beine hingegen in einer strömungsoptimierten, hohen Position, schonen Sie auch Ressourcen der oberen Extremitäten. Sie sehen, die Rechnung einer neuen Bestzeit sollte niemals ohne den Beitrag der Beinarbeit gemacht werden.
US-Schwimmstar Katie Ledeckys setzt deshalb Ihre härtesten Beinarbeit-Intervallserien an das Ende einer Trainingseinheit, um die Beanspruchung, ganz besonders in der zweiten Rennhälfte, zu simulieren. Denn: „Am Ende gewinnt derjenige das Rennen, der zum Schluss den besseren Endspurt hat. Und der wird maßgeblich über die Beinarbeit geleistet!“ Besser kann man es nicht zusammenfassen, ein gutes Drehbuch.
Ein Beitrag von Holger Lüning, Titelfoto: Michael Lapp.
Unsere Schwimm-Camps auf Teneriffa – für Termine & Informationen einfach auf das Foto klicken