Wissenschaft

Studie: Weniger atmen = schneller schwimmen?

Reduzierung der Atmung zur Verbesserung der Widerstände?

Ruhiger im Wasser liegen

Die Atmung beim Kraulschwimmen erfordert immer einen Kompromiss. Allein schon dadurch bedingt, dass nur ein begrenztes Zeit- und koordinatives Fenster zur Verfügung steht, gilt es, die bestmögliche Variante zu finden. Neben diesen Einschränkungen kommt es durch die Seitwärtsdrehung des Kopfes auch immer zu Schaukelbewegungen im Schulter- und Rumpfbereich, wodurch folgerichtig eine ruhige Wasserlage gestört wird.

Eine Frage, die nun entsteht:

Würden wir nicht atmen müssen, würden wir also schneller schwimmen können?

Tatsächlich sehen wir im 50-Meter-Sprint den Versuch – und das dafür notwendige Training – die gesamte Strecke ohne Atemvorgang zu absolvieren. Hintergrund: jede Kopfdrehung kann zu einer Verschlechterung der Wasserlage führen und Zeit kosten. Denn mit der übermäßigen Drehung des Rumpfes/der Schulter geht immer eine Erhöhung des Wasserwiderstands einher (siehe auch dieses Video > KLICK). Das gilt es zu verhindern.

Doch auf welcher Streckenlänge ist dieses Vorhaben noch von Vorteil und ab welcher Streckenlänge wäre die Sauerstoffschuld zu hoch? Eine knifflige Fragestellung, die es individuell zu klären und zu messen gilt.

Blick in die Spitze

Blicken wir in den Spitzenbereich, so starten viele der Top-Athleten auf der 100-Meter-Distanz von Beginn an mit einem Zweierzug. Das ist im Vergleich zur 50-Meter-Distanz eine komplette Umkehr der Atemtechnik und wird physiologisch zu begründen sein. Jeder, der diese Strecken im Wettkampf schwimmt, spürt, wie unterschiedlich der Stoffwechsel auf Belastungen reagiert, die oberhalb der 25 Sekunden Belastungszeit liegen. So gilt auch hier, das individuelle Optimum zum ermitteln, um auf den 100 Metern nicht am Ende einen hohen Tempoverlust zu erleiden.

Tipp: Trainingsplan 24 „Leistungsfähiger durch bessere Atemtechnik“ > KLICK HIER

Eine interessante Fragestellung zu der wir eine Studie gefunden haben, die wir unten zusammenfassen.

In Tipp 102 haben wir im Strömungskanal (> KLICK) versucht, die Einflüsse einer Körperdrehung auf den Wasserwiderstand zu ermitteln. Hier ist das Video zum Tipp. Mit einem Klick auf das Motiv startet der Clip.

Titel der Studie

Physiological responses to an incremental swim test with different breathing frequencies in competitive male youth swimmers

Autoren: Murlasits, Z., Laszlo, S., Prokai, J., Sebesi, B., Scherer, J., Tovari, F., Atlasz, T., Tovari, A., Katona, A., Cselko, A., Petrovics, P., Balazs, B. & Vaczi, M. (2023).

Erschienen in: Journal of Physical Education and Sport, 23 (3), 697-703.

Problemstellung

Sowohl das aerobe als auch das anaerobe Stoffwechselsystem tragen zu den meisten Wettkampfschwimmwettkämpfen bei, wobei eine erhebliche Energieversorgung durch Glykolyse erfolgt, was zur Ansammlung von Laktat im Blut führen kann. Wichtig ist, dass die Koordination einen wesentlichen Einfluss auf die Energiekosten beim Schwimmen hat.

Das Drehen des Kopfes zum Einatmen kann möglicherweise den hydrodynamischen Widerstand und damit die Leistung beeinträchtigen, während eine Atembeschränkung zur Ermüdung beitragen kann.

Zweck der Studie

Eine ausreichende Atmung ist auf längeren Distanzen mit höherem aeroben Bedarf wichtiger, daher wird erwartet, dass eine Einschränkung der Sauerstoffzufuhr den Stoffwechsel dieser Strecken negativ verändern würde.

Ziel der Studie

Ziel dieser Untersuchung war es daher, die Stoffwechselreaktionen auf einen inkrementellen Schwimmtest mit unterschiedlichen Atemmustern bei jungen Wettkampfschwimmern im 200-m-Kraulschwimmen zu vergleichen.

Ansatz und Methode

Leistungsfähige männliche Jugendschwimmer wurden von einem örtlichen Schwimmverein rekrutiert (n=8, Alter=15 +- 2, Größe = 177,5 +- 9,6, Körpergewicht = 65,3 +- 11,8). Es wurde ein inkrementeller Schwimmtest über 7 x 200 m mit zwei unterschiedlichen Atemfrequenzen durchgeführt:

1. Atmung alle drei Schwimmzüge (BR3),

2. Atmung alle fünf Schwimmzüge (BR5) im Gegengewicht.

Außerdem wurden die Reaktionen auf Blutlaktat und Herzfrequenz (HR) aufgezeichnet. Die Daten wurden mithilfe einer 2-Wege-Varianzanalyse (ANOVA) mit wiederholten Messungen verglichen.

Ergebnisse

Obwohl es einen Haupteffekt für die Zeit gab (p=0,000), zeigten die Laktat- und HR-Reaktionen keine signifikante Wechselwirkung zwischen Zustand und Zeit für die Atmungsbedingungen BR3 und BR5 (p=0,098 bzw. p=0,262).

Die Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung (RPE) war auf der 10-Punkte-Borg-Skala zwischen den beiden Bedingungen nach Abschluss des Schwimmtests nahezu identisch, ohne dass es einen statistisch signifikanten Unterschied gab (p = 0,402).

Schlussfolgerungen

Erfahrene Schwimmer können versuchen, ihre Atmung zu kontrollieren, um die Schwimmgeschwindigkeit durch Reduzierung des Widerstands zu erhöhen, ohne die Leistung aufgrund von Laktatanstieg und Müdigkeit zu beeinträchtigen. Die aktuellen Erkenntnisse zeigen, dass eine eingeschränkte Atmung bei längeren Schwimmstrecken (z. B. 200 m) durchaus möglich ist.

Unser Tipp: Atemmangel-Training

In Trainingsplan 70 (> KLICK HIER inkl. PDF-Download) machen wir einen Vorschlag für das gezielte Trainings des Atemmangels und der Kontrolle des Atemreizes. Hier ist das Video zum Trainingsplan. Mit einem Klick auf das Motiv startet der Clip. Viel Spaß!