Schneller Schwimmen durch Überdistanz-Training
Das Overdistance- / Überdistanz-Training
Effektive Trainingsmethoden für eine schnelle und dynamische zweite Rennhälfte. Dies ist die Fortsetzung von Teil 1 „Negative-Split-Training“ (KLICK) und vielen Beispielen aus dem Spitzensport und den Hintergründen zur optimalen Renneinteilung.
Überdistanz-Training mit negative-Split-Aufgaben
8x50m+25m
50m Sprint + 10 Sekunden Pause + 25m (15m) Sprint, Pause: 125m locker schwimmen
6x125m
50m GA1 + 25m GA1-2 + 25m GA2 + 25m Endspurt, Pause: 125m locker schwimmen
4x250m
150m GA1 + 50m GA2 + 50m Tempoerhöhung Pause: 45-60 Sekunden
Im Mittel- und Langstreckenbereich spielt das Anfangstempo schon allein wegen der angestrebten Rennlänge kaum eine Bedeutung. Hier stehen ganz andere Überlegungen an vorderster Stelle. Sie zielen vor allem auf den möglichst effizienten Einsatz der vorhandenen Energien ab. Dort wo der Kurzstreckenschwimmer einfach gesprochen „voll drauflos schwimmt“ muss der Mittel- und Langstreckler etwas klüger mit seinen Reserven haushalten, um nicht in einem Fiasko zu enden.
Übersäuert die Muskulatur beispielsweise auf Grundlage eines zu hoch gewählten Anfangstempos, so folgt zwangsläufig eine Phase der Wiederherstellung und Tempoabfalls, d.h. der gemäßigten Regeneration, um die Laktatkonzentration wieder herab zu fahren. Dies ist ein viel zu zeitaufwendiger und mühsamer Prozess als dass die Flucht nach vorne von Erfolg gekrönt sein könnte. Ein fataler renntaktischer Fehler, der sehr häufig bei Massenstarts wie im Freiwasserschwimmen und Triathlon beobachtet werden kann.
Eine Übersicht aus meinem Artikel für das Print-Magazin „Swim“ – Link zur Website https://swim.de/ :
Ein behutsames Herantasten an den Intensitätsbereich, der gerade noch ein Gleichgewicht von Energieherstellung und -verbrauch ist das oberste Ziel. Schnell angehen – aber eben nicht zu schnell. Das klingt kompliziert.
Und dann kommt noch ein Problem hinzu! Dort wo Sie im Training Zwischenzeiten, Herzfrequenzwerte und andere Formen des Feedbacks erhalten, sind Sie im Wettkampf komplett auf sich allein gestellt. Da können Sie froh sein, wenn Ihre Mitbewerber Ihre Rennstrategien selber im Griff haben, um sich selber daran orientieren zu können. Besser wäre es allerdings, sie wären Herr der eigenen Lage und könnten das Rennen so steuern, dass Sie geradewegs mit einer neuen Bestzeit anschlagen.
Deshalb ist es wichtig, dass Sie immer wieder die objektiven Trainingsdaten wie Zwischenzeiten und Herzfrequenz mit dem unmittelbar entstehenden Belastungsempfinden koppeln und abgleichen. Im Wettkampf könnte es schließlich nur ein Feedback geben, und das ist die Rückmeldung der Gefühlslage. Sie ist ihr Steuerungsinstrument! Schwimmen Sie mit Gefühl. Arbeiten Sie an dieser Fähigkeit, indem Sie die folgenden Serienbeispiele mit geschärften Sinnen absolvieren.
Negative-Split-Training für Mittel- und Langstreckenschwimmer
6x150m
50m GA1 + 50m GA1-2 + 25m GA2 + 25m Endspurt, Pause: 60 Sekunden
5x200m
100m GA1 + 100m GA2, Pause: 60-90 Sekunden
400-300-200-100m
Jeweils bei jeder Intervallstrecke die zweite Hälfte schneller schwimme als die erste, Pause: 60-90 Sekunden
8x100m
50m GA1 + 50m mindestens 2 Sekunden schneller, Pause: 30 Sekunden
400-2×200-4×100-8x50m
jeweils die zweite Hälfte schneller schwimmen als die erste, Pause: 30-60 Sekunden
Alternativ können Sie das Prinzip des negative-split auch auf eine gesamte Trainingseinheit übertragen, indem Sie zum Ende noch einmal eine kurze Intervallserie aus den Beispiel-Sätzen der Kurzstreckenschwimmer platzieren. Das erfordert zum Abschluss nochmals die mentale Fähigkeit, gegen die Ermüdung anzukämpfen und somit die Rennsituation zu simulieren.
In Bezug auf die Trainingsinhalte können Sie Ihre Kreativität weitestgehend ausleben. So kann man am Ende statt einer Tempoerhöhung alternativ auch unterschiedliche Aufgabenstellungen anbieten. Nicht nur für Lagenschwimmer könnte die Platzierung eines kurzen Delfin-Abschnitts zum Schluss noch einmal ganz andere Bewältigungsstrategien erzwingen. Das Lagenschwimmen in rückwärts gerichteter Lagenreihenfolge könnte eine weitere Alternative sein, um ein gewohntes Belastungsschema aufzubrechen und damit neue Reize zu erzeugen.
Das Training nach dem negative-split-Ansatz hat folgerichtig eine Fülle von positiven Aspekten. Physiologisch betrachtet, macht es Sie widerstandsfähiger und resistenter gegen die aufkommende Ermüdung im Rennen. Zugleich erfahren Sie Möglichkeiten, das Rennen taktisch noch besser auf Ihre Fähigkeiten auszurichten. Mit zunehmender Dauer werden Sie mental noch stabiler und können in
Krisenmomenten Ihres Wettkampfs deutlich besser reagieren. Als Folge steigen Sie noch selbstbewusster auf den Startblock und gehen mit Selbstsicherheit an die Startlinie – mit dem Wissen: ich schwimme mein eigenes Rennen!
von Holger Lüning
(Titelfoto: Michael Lapp, snap-pix.de)
Ein Trainingsbeispiel
Das Overdistance-Training haben wir in einem Trainingsplan thematisiert. Hier ist das Video zum Plan 117 und hier der Link zum passenden Artikel > KLICK. Eine Trainingseinheit, die die Basis für kommende Bestzeiten werden könnte. Viel Spaß!