Schneller Schwimmen

Tipp #107: COUNTER-MOVEMENT Kraft im Wasser entwickeln

Kraft erzeugen in der Schwerelosigkeit

Weshalb man im Wasser so wenig Kraft erzeugt

Hast du dir auch schon einmal Gedanken darüber gemacht, weshalb du im Wasser so wenig Kraft erzeugen kannst? Oder nehmen wir ein anderes Beispiel (siehe dazu auch das Video): weshalb kann man einen Tennisball aus dem Wasser heraus deutlich weniger weit werfen, als wenn man das Ganze an Land macht? Der Grund ist eigentlich ganz einfach zu finden.

Das Problem Schwerelosigkeit

Im Wasser haben wir keinerlei Möglichkeiten, eine Bewegung zu kontern, d.h. zu stoppen. Sei es mittels der Schwerkraft (z.B. wie beim Laufen) oder eines Sportgeräts (z.B. auf einem Rennrad) – im Wasser herrscht dank der quasi Schwerelosigkeit eine Situation vor, in der wir alle Bewegungsfreiheiten besitzen. Aber eben auch ganz wenige Feedback-und Abdruck- oder Abstoss-Möglichkeiten. So erzeugt jeder Druck gegen das Wasser zwar das Gefühl eines Gegendrucks (Widerstands), doch kann man daraus nicht ableiten, ob die Bewegung nun für den Vortrieb dienlich war oder es sich um quer angestellte Hebel handelte. Und genau deshalb ist die Eigenanalyse in dieser Sportart so schwierig!

An Land stark, im Wasser schwach?

Kommen wir zurück zum Beispiel der Kraftentfaltung. So habe ich während eines Trainingsaufenthalts der norwegischen Schwimm-Nationalmannschaft eine interessante Diskussion geführt, als die Trainer mittels einer Kraftmess-Anlage die erzeugte Zugkraft der SchwimmerInnen erfassten. Erstaunliche Werte. So lag die Zugkraft zwischen 10 und maximal 30 Kilogramm im Spitzenbereich der männlichen Sprintschwimmer, die mittels eines Seilgurtes an dem Gerät gemessen wurden. Wahrlich nicht viel. Wo bleibt die Kraft? Macht uns der Schwebezustand im Wasser schwach?

In diesem Zusammenhang kommt dann ein weiterer Begriff ins Spiel: die kinetische Kette. Wir unterscheiden hier zwischen einer offenen und einer geschlossenen kinetischen Kette. Dabei beschreibt man, inwieweit das Ende der Bewegung (wie z.B. der Arm beim Werfen) offen ist oder geschlossen, wie wir es z.B. beim Klimmzug (Griff an die feste Stange) sehen. Die Schwimmbewegung wird gerne mit diesen Ketten verglichen. Da wir jedoch beim Schwimmen weder einen festen Stand haben, können wir weder eindeutig von der einen noch von der anderen kinetischen Kette sprechen. Und dies ist dann auch der Grund, weshalb wir aus dem Wasser nicht weit werfen können.

Die Kraft aus der Gegenbewegung

Deshalb unterscheidet die Bewegungswissenschaft zwischen äußeren Kräften (z. B. Gravitation, Reibung, Zentrifugalkraft) und inneren Kräften (zumeist Muskel-Sehnen-Komplexe), die eine Bewegung entscheidend beeinflussen und deren Einfluss genau erfasst werden sollten. Dabei handelt es sich bei der Betrachtung der Schwimmens um eine Kombination aus Translation (Fortbewegung) und Rotation der Antriebshebel (nicht des Körpers!).

Wir können also die Kraft, die wir mittels eines festen Stands aus der Gegenbewegung (Vordehnung, Counter-Movement) von Ober- zu Unterkörper erzeugen können, im Wasser nicht generieren. Wie können wir dennoch aus dem Actio-Reactio-Prinzip eine Form der Gegenwirkung erzeugen, um daraus Zug- und Druckkraft zu entwickeln?

Vorspannung und Kraft immer über einen stabilen Rumpf

Ohne nun in eine tiefe biomechanische Analyse einzusteigen, können wir den Merksatz bilden, dass eine Kraft aus dieser Vorspannung von Unter- zu Oberkörper nur dann entstehen kann, wenn das Becken stabilisiert wird. So wird die Kraft aus einem Kettenglied auf das nächste übertragen. Fehlt dies Übertragung, geht Kraft verloren.

Eben genau so wie man das beim Stemmschritt macht (ob Werfen, Ziehen, Schlagen oder anderen Bewegungen). Demzufolge kann eine aktive oder passive Rotation im Becken im Schwimmen keine hohen Kräfte erzeugen, wenn sie in gemeinsamer Richtung mit der Schulter erfolgt.

Wichtig: Oberkörper und Unterkörper (Becken) sollten sich deshalb GEGENEINANDER und NICHT MITEINANDER drehen (bzw. rotieren)! Vielmehr ist es also die dringende Aufgabe, das Becken und den Rumpf zu stabilisieren! Gelingt dies, steigt die Kraftübertragung auf das Wasser, die Vortriebswirkung steigt!

Kraft aus der Gegenbewegung

Die nicht vorhandene Möglichkeit, Hebelbewegungen und -wirkungen zu kontern (Gegenbewegung), zwingt uns als Schwimmer, ganz andere Maßnahmen einzusetzen. Und an diesem Punkt gehen wir in die Praxis und schauen uns an, wie Spitzenschwimmer und -schwimmerinnen agieren.

So besprechen wir im Video weshalb es, wie in den vier Screenshots (oben) sichtbar, immer dann zu einer Abwärtsbewegung des Beinschlags kommt, wenn auf der derselben Körperseite die kraftvolle Druckphase durchgeführt wird. Folgerichtig bewirkt eine gleichzeitige Drehung von Ober- und Unterkörper eine Schwächung, eines Gegenbewegung hingegen eine Stärkung der wirkenden Kräfte.

In der biomechanischen Analyse lassen sich deshalb auch sehr schnell technische Defizite erkennen, die eine durchschnittliche bis mäßige Schwimm-Leistung erklären (siehe Einzel-Screenshot rechts).

Das Video zu Tipp 108

Gleich auf das Motiv klicken und das Video starten. Viel Spaß!

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